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Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder (l.) und Luxemburgs Premier Jean Claude Juncker vor Beginn des Gipfels.

Foto: AP/Wijngaert
Brüssel - Die EU-Staaten haben ihren jahrelangen Streit über die Reform des Euro-Stabilitätspaktes endgültig beigelegt. Die 25 Staats- und Regierungschefs billigten am Dienstag auf dem EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel den in der Nacht auf Montag gefundenen Kompromiss der Finanzminister ohne nachträgliche Korrekturen. Die Euro-Kriterien bleiben unverändert, Verfehlungen werden aber künftig nicht mehr so rigoros geahndet. Deutschland - neben Frankreich einer der "Defizitsünder" - kann künftig die Milliardenkosten für die deutsche Wiedervereinigung budgetwirksam und defizitmindernd anführen.

Berlusconi machte Rückzieher

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hatte am Dienstagvormittag überraschend Nachverhandlungen verlangt. Er zog seine Forderung aber nur Minuten vor Beginn des Gipfels ebenso überraschend zurück. "Es ist gut so, wie es die Finanzminister entschieden haben", sagte Berlusconi in Brüssel und dementierte somit seine eigene Forderung, auch Infrastrukturausgaben bei der Bewertung des Haushaltsdefizits stärker zu berücksichtigen.

Auf die Reform hatten sich die EU-Finanzminister in der Nacht von Sonntag auf Montag in fast zwölfstündigen Verhandlungen geeinigt. Der Streit über eine Änderung des Regelwerkes war entbrannt, als Deutschland Anfang 2002 von der EU-Kommission eine erste Verwarnung wegen ausufernder Neuverschuldung erhalten hatte. Deutschland hat 2002, 2003 und 2004 gegen die Euro-Defizitgrenze verstoßen, auch für 2005 droht das Gleiche. Formal bleibt die Defizitgrenze bei 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Schafft ein Land dies nicht, muss es aber nun nicht mehr automatisch mit Sanktionierung rechnen. Bedingung ist, dass das Staatsdefizit knapp und nur von kurzer Dauer über 3,0 Prozent liegt.

Borrell: Kein Abbau von Sozialstandards

Im Zusammenhang mit dem zweiten großen Gipfelthema versicherte der Präsident des Europäischen Parlaments, Josep Borrell, dass das Parlament bei der geplanten Öffnung des EU-Dienstleistungsmarktes keinen Abbau von Sozialstandards in der EU zulassen werde. "Das EU-Parlament wird sicher keine Richtlinie akzeptieren, die das europäische Sozialmodell unterminieren würde", sagte Borrell. Damit reagierte er auf die Diskussion über die umstrittene geplante Dienstleistungsrichtlinie, die einige Mitgliedstaaten, darunter vor allem Frankreich, Deutschland und Schweden, zu Fall bringen wollen. Das Parlament habe kein Zurückziehen der Richtlinie gefordert, so Borrell. "Einige Parlamentarier denken, dass sie eine gute Idee ist, andere nicht", die Debatte habe aber noch nicht begonnen.

Die Abstimmung im Parlament über die Richtlinie wird laut Borrell erst nach dem französischen Verfassungsreferendum am 29. Mai stattfinden. Es müsse klargestellt werden, dass die beiden Themen in der öffentlichen Debatte nicht vermischt werden. "Derzeit herrscht viel Verwirrung", beklagte Borrell. Die Debatte müsse sachlich geführt werden. Borrell betonte auch, dass die Kommission eingesehen habe, dass der Gesetzesentwurf klarer sein müsste. "Wir brauchen eine bessere Gesetzgebung", so der Parlamentspräsident.

Am Mittwoch, dem zweiten Tag des Gipfels, steht die Wirtschafts- und Finanzpolitik im Mittelpunkt. Die Staats- und Regierungschefs wollen der Lissabon-Strategie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas neuen Schwung verleihen. Künftig soll die Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen in der EU höchste Priorität haben.

Fünf Regierungsmitglieder aus Österreich dabei

Die österreichische Delegation beim EU-Gipfel wird von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) angeführt, ihr gehören auch Außenministerin Ursula Plassnik (V), Finanzminister Karl-Heinz Grasser (V), Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) und Haubner an. (APA)