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El Salvadors Arme werden für den ermordeten Erzbischof Romero, wie hier beim 20. Todestag, auch heuer auf die Straße gehen. Doch manche Reiche stoßen mit Champagner auf die Tat an.

Foto: APA/EPA, Cortez

San Salvador/Wien – Bis heute kam es in El Salvador zu keiner gerichtlichen Aufklärung des Mordes an Erzbischof Oscar Arnulfo Romero, der am 24. März 1980 während eines Gottesdienstes erschossen wurde. Dabei war im Bericht der Wahrheitskommission El Salvadors 1993 klar zu lesen: "Es ist offensichtlich, dass der frühere Major Roberto D'Aubuisson den Befehl zur Ermordung des Erzbischofs gab und dass er den Mitgliedern seines Sicherheitsdienstes, die als 'Todesschwadron' agierten, genaue Anweisungen gab, wie der Mord zu organisieren und zu überwachen sei."

Doch alle Verbrechen des Bürgerkriegs in dem zentralamerikanischen Staat, bei dem es von 1980 bis 1992 mehr als 75 000 Tote gab, wurden fünf Tage nach der Veröffentlichung dieses Berichts in einer überstürzten Generalamnestie unter den Teppich gekehrt. So ist es bezeichnend, dass das erste Gerichtsverfahren im Fall Romero im Sommer 2004 ein Zivilprozess in den USA war. Dort wurde Alvaro Saravia, der seit 1987 in den USA lebte, als einer der Hauptbeteiligten in Abwesenheit schuldig gesprochen und zu einem Schadensersatz von 10 Millionen Dollar verurteilt.

D'Aubuisson gründete 1981 die ultrarechte Republikanisch-Nationalistische Allianz (Arena). Sie stellt seit 1988 ununterbrochen die Regierung. In ihrer Parteihymne wird El Salvador als das "Grab der Roten" besungen. Erzbischof Arturo Rivera y Damas erklärte vor den Wahlen 1994, ein Katholik könne nicht für die Partei stimmen, die vom Mörder Romeros gegründet wurde und ihn bis heute als Helden verehrt. Für Romero lag die Wurzel der Probleme des Landes darin, dass wenige fast alles und die vielen nichts besaßen. So richtete er sich einmal an die Reichen mit den starken Worten: "Streift eure Ringe von den Fingern, oder es kommt der Tag, wo euch die Hände abgehackt werden." Das war keineswegs ein Aufruf zur Gewalt, sondern eine messerscharfe Analyse der Ursachen für die Gewalt in El Salvador.

Soziale Spaltung

Viele dieser prophetischen Anklagen der Ungerechtigkeit treffen auch auf die heutige Situation El Salvadors zu, das im Wesentlichen immer noch ein Land von zwei Klassen ist: auf der einen Seite die superreiche Oberschicht, die vom Wiederaufbau und dem Wirtschaftswachstum nach dem Ende des Bürgerkriegs profitiert hat; auf der anderen Seite die große Mehrheit der Bevölkerung, die nichts von einer Friedensdividende verspürt hat und in immer größerem Elend versinkt. Nach neuen Zahlen der UNO müssen 1,3 Millionen Salvadorianer mit weniger als einem Dollar pro Tag ums Überleben kämpfen.

Täglich versuchen über 300 Menschen das Land zu verlassen – meist illegal in Richtung USA über Guatemala und Mexiko. Dafür zahlen sie an Schlepperbanden die enorme Summe von 7000 Dollar. In der katholischen Kirche spiegeln sich die gesellschaftlichen Spaltungen.

Die Kathedrale der Hauptstadt besteht aus zwei Kirchen: der "oberen" Kirche mit überdimensionalem Kronleuchter, in welcher Erzbischof Fernando Sáenz Lacalle vom Opus Dei Gottesdienst feiert; der "unteren" Kirche der Krypta mit dem Grab Romeros, die an die Katakomben erinnert und wo sich die Gemeinden zum Gottesdienst versammeln, die seinem Erbe verbunden sind.

Für die theologische Inspiration Romeros steht das theologische Zentrum der Zentralamerikanischen Universität, das seinen Namen trägt und das zu einem der wichtigsten Zentren der Befreiungstheologie in Lateinamerika geworden ist. Konservative kirchliche Kreise erklären seit Jahren, die Theologie der Befreiung sei tot.

Das Centro Monseñor Romero ist mit seiner Lehr- und Forschungstätigkeit sowie mit Publikationen ein lebendiger Gegenbeweis. Dort findet Ende März ein internationales theologisches Symposion anlässlich des 25. Todestags Romeros statt. Gustavo Gutiérrez, Vater der Theologie der Befreiung, wird über seine Bedeutung für unsere Zeit sprechen. (Martin Maier/DER STANDARD, Printausgabe, 23.3.2005)