Wien - Herumstehen in der U-Bahnpassage am Karlsplatz kann teuer kommen: 70 Euro teuer. Oder aber - ersatzweise - für ein unfreiwilliges Quartier sorgen: 70 Stunden lang.

Im Kampf gegen die Drogenszene in der Passage setzt die Polizei auf Paragraf 78 der Straßenverkehrsordnung, der sich mit diversen Arten der Beeinträchtigung des Fußgängerverkehrs befasst. Die Polizei erteilt Strafverfügungen gegen jene, die durch "Herumlungern bzw. unbegründetes Stehenbleiben", Passanten am Durchgang hindern: "Es wurden daher Personen dazu bewogen, sich anders zu verhalten, als hätte der Vorfall nicht stattgefunden", heißt es.

Nach Sicht der Polizei handelt es sich um "ein paar wenige Fälle", die Streetworker sehen hingegen eine Häufung. Einig sind sie sich in einem: Das Problem war vorhersehbar. "Uns war klar, dass nach Einführung der Schutzzone vor der Schule am Karlsplatz, die Szene abwandern wird", sagt Michael Lepuschitz von der sicherheits- und verkehrspolizeilichen Abteilung in der Bundespolizeidirektion Wien.

Fehlende Linie

"Wie hier vorgegangen wird, ist schon sehr fragwürdig", findet Uwe Hincziza, Leiter der Wiener Streetworker: "Hier fehlt eine Linie. Einmal wird strengstens vorgegangen, am nächsten Tag sieht man keine Polizisten." Generell müsse man sich auch fragen, ob "es das Abmahnen bringt". Stattdessen sollte die Polizei auf "permanente Präsenz mit zwei bis drei Beamten" setzen, die darauf schauen, dass sich die Leute so benehmen, dass niemand gestört wird".

Dazu Lepuschitz: "Wir sind ja präsent. Aber wir können nicht einfach Polizisten voll dafür abstellen." Aufgrund vieler Beschwerden der Geschäftsleute in der Passage sei es hier nötig gewesen, "energisch einzuschreiten".

Die Wiener Grünen fühlen sich durch die Polizeiaktion in ihren Befürchtungen bestätigt. "Es ist genau das eingetreten, was wir befürchtet haben", sagt die grüne Gemeinderätin Susanne Jerusalem: "Wir fordern Räume für die Leute, aber die Stadt setzt lieber auf Vertreibungspolitik." Die Strafen seien "absurd", die Schutzzone ein Fehler.

Das sieht Lepuschitz anders: "Die gute Nachricht ist, dass die Schutzzone funktioniert. Die weniger gute: Die Szene verlagert sich - zum Leidwesen anderer." (pm, DER STANDARD - Printausgabe, 25. März 2005)