Harald Waldrauch ist Mitarbeiter im Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung. Das Zentrum arbeitet zur Zeit mit dem Institut für Europäische Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie Partnern in 14 weiteren Ländern an einer vergleichenden Studie zur Staatsbürgerschafts- Politik in den 15 alten EU-Staaten.

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derStandard.at: Was halten Sie von dem Vorschlag von Justizministerin Miklautsch , die Wartezeit für die österreichische Staatsbürgerschaft zu vereinheitlichen und auf bis zu zwölf Jahre zu verlängern?

Waldrauch: Eine Vereinheitlichung der Bedingungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft ist prinzipiell zu begrüßen. Generell stellt sich ja die Frage: Warum sind die Bundesländer für die Verleihung der gesamt-österreichischen Staatsbürgerschaft zuständig? Da ja die Bundes- und nicht die Landesbürgerschaft verliehen wird, sollte die Einbürgerung eigentlich ureigenste Aufgabe des Bundes sein, und der Bund sollte vor allem auch für den einheitlichen Vollzug des Staatsbürgerschaftsrechtes sorgen.

Die Verlängerung der Mindestaufenthaltsdauer vor der Einbürgerung ist dagegen eindeutig negativ zu beurteilen. Es stellt sich die Frage: Gibt es wirklich legitime Gründe, Personen, die seit mindestens zehn Jahren oder sogar seit Geburt (rund 30 Prozent der Eingebürgerten sind in Österreich geboren) am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben Österreichs teilgenommen haben, den Zugang zur Staatsbürgerschaft – und damit auch zur politischen Teilnahme – noch zusätzlich zu erschweren? Ich denke nicht.

Zudem ist zu sagen, dass die von Justizministerin Miklautsch angesprochenen vorzeitigen Einbürgerungen inzwischen nur noch weniger als vier Prozent aller Einbürgerungen ausmachen - vor der 1999 in Kraft getretenen Reform lag ihr Anteil noch bei 17 Prozent. Eine weitere Vereinheitlichung der Regeln bezüglich der vorzeitigen Einbürgerung wäre daher aus meiner Sicht zwar zu begrüßen, sie wäre aber nur für einen Bruchteil der Einbürgerungen relevant.

Letztlich ist in diesem Zusammenhang auch darauf zu verweisen, dass eine vorzeitige Einbürgerung nur nach vier (seltene Ausnahmefälle) bis sechs Jahren möglich ist, nicht wie von der Justizministerin erwähnt nach drei Jahren. Eine Einbürgerung nach drei Jahren Aufenthalt ist nur für EhepartnerInnen von österreichischen Statsangehörigen und für miteingebürgerte EhepartnerInnen von ausländischen Statsangehörigen möglich - in beiden Fällen liegt diese Wartefrist von mindestens drei Jahren aber nicht im Ermessen der Landesbehörden, sondern sie ist gesetzlich festgeschrieben.

derStandard.at: Was will die Justizministerin damit erreichen? Welchen Effekt hätte die Verlängerung der Wartezeit?

Waldrauch: Die Verlängerung der Wartefrist hätte sicher eine gewisse Verringerung der Einbürgerungszahlen zur Folge. In welchem Ausmaß sich diese bewegen würde, ist schwer abzuschätzen: Es gibt in Österreich keine (bzw. keine jemals ausgewerteten) Daten in Bezug darauf, wie viele ausländische Staatsangehörige sich bereits genau wie lange in Österreich aufhalten - und nur auf Basis solcher Daten könnte man abschätzen, wie viele Personen eventuell von bestimmten Einbürgerungsmöglichkeiten nach zehn bzw. 12 Jahren profitieren könnten.

Was die Justizministerin damit bewirken will, ist natürlich eine Reduktion der Einbürgerungszahlen - und das mit allen Mitteln. Schon mit der 1999 in Kraft getretenen Reform wollte man die Zahl der Einbürgerungen senken. Gelungen ist jedoch nur die Reduktion der Zahl der vorzeitigen Einbürgerungen: Politisch nicht vorausgesehen hat man, dass die Einbürgerungen aufgrund von mindestens 10-jährigem Aufenthalt stark ansteigen würden, was dann aber geschehen ist. Um das zu vermeiden, sollen jetzt eben auch an die allgemeinen Bedingungen für eine Einbürgerung nach zehn Jahren verschärft werden.

Sehr bedenklich sind dabei vor allem die geplante noch stärkere Berücksichtigung von Verwaltungsstrafen (schon jetzt werden Verkehrsübertretungen und sogar aus dem Strafregister getilgte Verurteilungen regelmäßig zum Anlass genommen, die Einbürgerung zu versagen), das noch stärkere Gewicht, das man auf die Fähigkeit zur Bestreitung des eigenen Unterhaltes legen will sowie die noch über dem "Integrationsvereinbarungs"-niveau liegenden geforderten Sprachkenntnisse.

All das erweckt den Eindruck, dass es eben nicht - wie so oft behauptet - um die Integration der Betroffenen geht, sondern um die weitere Erschwerung der rechtlichen Besserstellung von ausländischen Staatsangehörigen. Es wird ihnen nicht etwa Unterstützung bei der Integration angeboten (z.B. durch kostenlose Sprachkurse), sondern es werden mehr und mehr Hürden für eine rechtliche Besserstellung aufgestellt. Vielfach ist aber aber genau diese rechtliche Schlechterstellung ausländischer Staatsangehöriger (v.a. Ausschluss von Wahlrechten und bestimmten sozialen Rechten, sehr restriktiver Familiennachzug) das Haupthindernis für effektive soziale Integration.

derStandard.at: Wie würde eine zwölfjährige Wartezeit im europäischen Vergleich aussehen?

Waldrauch: Österreich hat mit Griechenland, Italien, Portugal und Spanien jetzt schon mit zehn Jahren die längste Wartefrist aller alten EU-Länder (vor dem Beitritt der zehn neuen Mitglieder) – mit einer weiteren Hinaufsetzung auf zwölf Jahre würde man sich zur in dieser Hinsicht in Europa "führenden" Schweiz gesellen, die seit jeher ein notorisch restriktives Staatsbürgerschaftsrecht hat.

In den anderen alten EU-Ländern ist die Mindestaufenthaltsdauer dagegen kürzer: in Dänemark sind es neun Jahre, in Deutschland acht, in Belgien (meist) sieben, in Finnland sechs, in Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien fünf, und in Irland gar nur vier Jahre. In Deutschland und auch einigen anderen Ländern haben Einbürgerungswillige dabei auch einen Rechtsanspruch auf die Einbürgerung, wenn sie die – viel klarer als in Österreich formulierten – Bedingungen erfüllen. Am einfachsten ist die Einbürgerung für Zuwanderer in Belgien, wo man zwar sieben Jahre warten muss, dann aber die Staatsbürgerschaft durch eine einfache Erklärung erwerben kann – und das kostenlos. Integration ist somit in Belgien ein Recht, keine Gnade.

derStandard.at: Welche Rolle spielt die Staatsbürgerschaft bei der Integration? Welche Faktoren sind für eine funktionierende Integration notwendig?

Waldrauch: Wie gesagt ist rechtliche Gleichstellung in vielen Fällen eine Voraussetzung für erfolgreiche soziale Integration insgesamt - sie sollte nicht, wie dies in Österreich interpretiert wird, gewissermaßen als Belohnung für bereits erfolgte Integration angesehen werden. Wer nicht unter den gleichen Bedingungen am Arbeitsmarkt teilnehmen kann, wer nicht die gleichen Rechte auf Bezug von Sozialleistungen hat, und wer seine Bedürfnisse nicht wie alle anderen auch in den politischen Prozess einbringen darf, von dem kann nicht erwartet werden, dass er eine Integration in allen Lebensbereichen im Aufnahmeland Österreich schaffen wird.

Wer weniger Rechte hat, der hat auch weniger Möglichkeiten, sich etwa gegen schlechtere Arbeitsbedingungen zu wehren, und wird oft gezwungen sein, schlechtere Jobs anzunehmen. Solche Bedingungen der rechtlichen Diskriminierung führen tendenziell zur Festschreibung von sozialen Positionen in den unteren Schichten der Gesellschaft, und verhindern eine echte Integration im Mainstream der Gesellschaft. (sof/rasch)