Geschlechterpolitik
Schwieriger Balanceakt ohne Netz
Es muss den Frauen erleichtert werden, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen
Im Laufe der Jahre, nach vielen beharrlichen Kämpfen ist der Umstand, dass Frauen in einem normalen Angestelltenverhältnis
gegen Bares arbeiten, keineswegs mehr als Randerscheinung zu sehen. Er ist zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor geworden.
Aber anstatt diese Entwicklung in allen Bereichen zu unterstützen, werfen Unternehmer und Regierung den Frauen, die ihren Beruf
und die Familie unter einen Hut bringen wollen, allerhand Stolpersteine vor die Beine. Existenz sichern
Stein Nummer eins liegt darin, dass die lang herbeigesehnte Erhöhung des Karenzgeldes wieder einmal verschoben wurde, und
zwar auf 2002. Die noch von der früheren Bundesregierung in Aussicht gestellte Anhebung auf 6000 Schilling als ersten Schritt ab
dem Jahr 2000 ist im Programm von FPÖ und ÖVP nicht enthalten. So bleiben wir bei knapp unter 6000 Schilling pro Monat. Von
einer tatsächlichen Sicherung der Existenz kann hier keine Rede sein. Die geringe Höhe des Karenzgeldes bringt erwerbstätige
Frauen für die Zeit der Karenz wiederum in die finanzielle Abhängigkeit vom Partner. Das Einfrieren des Karenz- beziehungsweise
Kinderbetreungsgeldes auf einem niedrigen Niveau ist sicher nicht die beste Basis für partnerschaftliche Gedanken. Wie auch die
Verlängerung des Betreuungsgeldes um ein Jahr bei Teilung der Karenz nicht automatisch dazu führen wird, dass sich das
Elternpaar die Karenzzeit untereinander aufteilt.
Stolperstein Nummer zwei findet sich in den spärlichen Möglichkeiten, die Kinder während der Arbeitszeit betreuen zu lassen.
Immer noch sperren die meisten Kindergärten um 17 Uhr zu. Vor allem für Kinder unter drei Jahren müssen mehr Betreuungsplätze
geschaffen werden. Und noch immer sieht es mit Betriebskindergärten eher düster aus, desgleichen mit dem Rechtsanspruch auf
eine Nachmittagsbetreuung.
Stolperstein Nummer drei spricht Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der Arbeiterkammer an: "Derzeit
erhalten ArbeitnehmerInnen bei Teilzeitkarenz Karenzgeld in halber Höhe, können dieses Geld aber doppelt so lange
beanspruchen. In Zukunft, also mit 2002, soll die mögliche Zusatzverdienstgrenze erhöht werden, um wie viel wissen wir noch nicht.
Es wird notwendig sein, genau darauf zu achten, dass von einem großzügigeren Zuverdienst zum Kinderbetreuungsgeld nicht nur
jene profitieren, die Gestaltungsmöglichkeiten haben. Es ist nicht gesichert, ob es Kinderbetreuungsgeld während der
Teilzeitkarenz geben wird. Wir sehen weiters ein großes Risiko, dass bei Überschreitung des monatlich zum Karenzgeld dazu
verdienbaren Betrags von 3977 Schilling brutto der Kündigungsschutz wegfallen könnte, da gesetzlich nur ein geringfügiger
Zusatzverdienst in der Karenz vorgesehen ist."
Mehr Betreuungsplätze
Nach einer Erhebung der Arbeiterkammer wollen 60 Prozent der Eltern flexiblere Arbeitszeiten, um ihren Kindern genügend Zeit
widmen zu können. Doch die Arbeiterkammer macht ständig die Erfahrung, dass es nur selten gelingt, die gewünschte Arbeitszeit
im Betrieb durchzusetzen. Mitgestaltungsrechte würden die Unternehmer dazu zwingen, sich mehr Gedanken darüber zu machen,
ob die Arbeitszeitwünsche in der Firma umgesetzt werden können.
Das Kinderbetreuungsgeld verursacht nach einer vorsichtigen Schätzung etwa Mehrkosten von fünf bis sieben Milliarden Schilling.
Wäre es nicht klüger, die Gelder dort zu verwenden, wo ein tatsächlicher, nachweisbarer Bedarf besteht? Es ist nicht einzusehen,
dass die Gelder nach dem Gießkannen-Prinzip ohne soziale Treffsicherheit ausgeschüttet werden.
Sonder-Stolpersteine werden AlleinerzieherInnen bemerken müssen. Im FPÖ-ÖVP-Programm ist nichts davon erwähnt, dass sie,
die ohnehin unter starkem Druck stehen sowie besonders einkommensschwache Familien einen Zuschuss zum Karenzgeld
erhalten. Hat man auf sie vergessen?
Und auch für AusländerInnen wird der Bezug von Karenzgeld erschwert. Soferne nicht ein Elternteil österreichischer oder
EWR-Staatsbürger ist, muss ein fünfjähriger Aufenthalt in Österreich nachgewiesen werden, damit das Kinderbetreuungsgeld
bezogen werden kann. Bei kürzerer Aufenthaltsdauer gibt es das Geld nur für Zeiträume, in denen ein Einkommen aus
unselbstständiger Erwerbstätigkeit bezogen wird, und das erst nach Erfüllung einer dreimonatigen Beschäftigungszeit.
Immerhin gibt es im Bereich Beruf und Familie auch Positives zu erwähnen. Die ArbeitnehmerInnen kommen mit Geburten ab Juli
2000 wieder in den Genuss eines verlängerten Leistungsbezuges. Die Verlängerung des Karenzgeldes bis zum zweiten
Geburtstag des Kindes entspricht einer vehement vorgetragenen Forderung der Arbeiterkammer und des ÖGB.
Das Kernproblem liegt sicher nicht nur in der Reduzierung von Unterstützungen auf das Karenzgeld. Vielmehr ist es notwendig
weiterzudenken und Maßnahmen zu treffen, um die Rückkehr der Frauen und Männer aus der Karenzzeit in den Beruf praktikabler
zu gestalten. Dazu braucht es mehr Kinderbetreuungseinrichtungen mit flexibleren Öffnungszeiten und familienfreundliche
Arbeitszeiten. Denn Kinder dürfen einfach nicht ins berufliche Out führen! (kredo)