Wem nach den Pirouetten, die ÖVP und SPÖ in den letzten Monaten in schulpolitischen Fragen auf das Parkett gelegt haben, noch nicht schwindlig ist, der wird auch angesichts der jüngsten Wendung im Ideologiekampf um die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit für Schulgesetze einen klaren Kopf behalten. Jetzt, mit vorliegendem Gesetzesentwurf und bevorstehender Beschlussfassung im Nationalrat, setzt die ÖVP plötzlich ganz offiziell auf den bewährten Kuhhandel gemäß der Formel "Gibst du mir die vollständige Abschaffung der Verfassungsmehrheit, geb ich dir ein paar andere Zugeständnisse auf dem Weg zu einer neuen Verfassung". Oder, andersherum gesprochen: "Gibst du mir die Zustimmung zu einer neuen Verfassung, geb ich dir die von dir in der Kirchen-Allianz geschmiedete Schulgeldfreiheit und den Religionsunterricht als Verfassungsmaterie im Paket."

Im Wechselspiel von zwei Schritten vor und dreien zurück, wie es die beiden für die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit relevanten Parteien mit ihren Zustimmungs-, Teilzustimmungs- und Ablehnungssignalen betrieben haben, ist die Verknüpfung mit der Verfassungsfrage nur ein weiterer Haken, den die ÖVP nun zu schlagen versucht. Schließlich will man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die SPÖ zeitgerecht mit dem am Donnerstag im Nationalrat eingerichteten Sonderausschuss, in den die unfruchtbare Debatte des Österreich-Konvents nun verlagert wird, als roten Bremser zu brandmarken.

Inhaltlich hat der Schwenker zur Verfassungsdebatte wenig Bedeutung. Schließlich soll über die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit bereits heute, Freitag, im Nationalrat abgestimmt werden. Ihr Fall wäre allerdings nur der erste Schritt zu einer tatsächlichen Neugestaltung des Schulsystems. (DER STANDARD-Printausgabe,1.4.2005)