Zehn Prozent der Unternehmen sind in der Datenbank.

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Phnom Penh - Die Textilbranche boomt in Kambodscha. Sie macht rund 90 Prozent des Exports aus und hat einen Wert von fünf Milliarden US-Dollar (rund 3,6 Mrd. Euro). 600.000 Menschen sind in der Textilindustrie beschäftigt - eine hohe Zahl, gemessen an 15 Millionen Einwohnern.

Vor wenigen Wochen hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) zum ersten Mal eine Datenbank online gestellt, die Einblick in Kambodschas Textilfabriken gibt. Die Datenbank im Rahmen des Projektes "Better Factories Cambodia" zeigt, ob die einzelnen Fabriken grundlegende Arbeitsstandards wie unversperrte Notfallausgänge, regelmäßige Evakuierungsübungen, keine Kinderarbeit und keine Zwangsarbeit einhalten.

Druck auf die Zulieferer

Für Jason Judd von der ILO ist klar, dass dieser Schritt an die Öffentlichkeit den Druck auf die Branche erhöhen wird: "Ab sofort sind die Daten der Zulieferer für alle zugänglich. Die Markenhersteller werden daher wiederum Druck auf ihre Zulieferer ausüben, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten."

Die Textilindustrie ist der Motor des Landes, allerdings einer, der von einer Masse an billigen Arbeitskräften angetrieben wird. Der überwiegende Teil der Beschäftigten sind Frauen, rund 90 Prozent. Sie kommen aus ländlichen Gegenden in die Stadt, weil sie sich ein Einkommen erhoffen, mit dem sie sich und ihre Familien erhalten können.

Nur Bangladesch ist billiger

Seit Februar verdienen sie umgerechnet 100 US-Dollar im Monat. Davor waren es 80 Dollar. Es ist der zweitniedrigste Lohn im Vergleich zu den anderen asiatischen Textilindustrieländern - nur Bangladesch zahlt noch weniger. Mit Unterstützung von Gewerkschaften kämpfen die Textilarbeiterinnen seit Monaten lautstark und unter Gefährdung ihres Lebens um eine Erhöhung des Lohnes. Sie fordern 160 Dollar.

Ein Geldgeber des "Better Factories"-Projektes der ILO ist der kambodschanische Textilverband (GMAC). Doch dem Generalsekretär Ken Loo wäre es lieber, es nicht zu unterstützen. Es seien Extraausgaben mit sehr geringem Nutzen. "Jeder sagt, das ist gut, weil Markenfirmen so etwas mögen. Wenn die Compliance, also Einhaltung von Regeln, tatsächlich so wichtig ist, warum hat dann Bangladesch nichts Vergleichbares?"

Geringe Compliance

Kambodschas Textilexport ist laut Loo seit der Finanzkrise zurückgegangen. Währenddessen sei Bangladeschs Export gestiegen, obwohl das Land "bestens bekannt für seine geringe Compliance ist". Sogar nach Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes, bei dem vor einem Jahr mehr als 1100 Menschen ums Leben kamen, sei der Export um 21 Prozent gewachsen. "Also, ist Compliance tatsächlich so wichtig? Falls ja, habe ich vielleicht irgendetwas nicht mitbekommen. Oder die Markenfirmen lügen uns an", sagt Loo.

Judd von der ILO räumt im STANDARD-Gespräch ein, dass es sehr schwierig gewesen sei, die kambodschanische Regierung und die Wirtschaft von der Wichtigkeit der Transparenz zu überzeugen.

Wichtigkeit von Transparenz

Die Modekette H&M, eine der größten Marken, die Kleidung in Kambodscha herstellen lässt, begrüßt in einer Stellungnahme die Einrichtung der Datenbank. Es zeige, dass die Regierung und die Textilindustrie von Kambodscha die zunehmende Wichtigkeit der Transparenz anerkennen würden. Doch die Datenbank stellt keine Verbindung zwischen lokalen Fabriken und globalen Markenproduzenten her. Wer weiß, wer hinter Namen wie King Fashion Garment, Legend Garment oder Good People steht? (Monika Kalcsics aus Phnom Penh, DER STANDARD, 23.4.2014)