Mount Shasta in Kalifornien. Abfluss durch Schneeschmelze ist nicht nur im Westen der USA, sondern auch in vielen anderen Teilen der Welt ein wichtiger Teil der Wasserversorgung.

Foto: Dee Woods

Delft/Bristol - Durch die Erderwärmung wird der Abfluss von Wasser in schneereichen Gebieten über Flüsse und Quellen signifikant reduziert,  was wiederum zu erheblichen Problemen in der Wasser- und Energieversorgung führen kann. Das besagt eine Studie, die gemeinsam von der Technischen Universität Delft und der University of Bristol durchgeführt wurde. Die Ergebnisse wurden aktuell in der Fachzeitschrift "Nature Climate Change" veröffentlicht.

Weniger Schnee

Eine Folge der Erderwärmung ist, dass Niederschlag weniger in der Form von Schnee als in der Form von Regen fallen wird. Das internationale Forscherteam, dem auch der Österreicher Markus Hrachowitz angehört, untersuchte, welche Folgen Niederschlagsveränderungen für den mittleren Abfluss in Fließgewässern haben kann.

Bisherige Untersuchungen seien stets von einem geringen Einfluss ausgegangen, berichtet Hrachowitz von der Fakultät für Bauingenieurwesen und Geowissenschaften der Technischen Universität Delft: Sie hätten eher auf den Einfluss von Timing im Abfluss (d.h. wann ist Wasser zu erwarten) und auf Veränderungen von Extremen, etwa Flutspitzenwerten, fokussiert. "Wir konnten nun zum ersten Mal plausibel darstellen, dass eine Abnahme des Schneefalls, mit gleichzeitiger Zunahme des Regenfalls einen signifikanten Einfluss auf den über das Jahr gemittelten Abfluss in Flüssen haben kann. Die mittlere Abflussmenge nimmt ab, was zu weitreichenden Veränderungen in Bereichen der Wasserversorgung, Energieproduktion und damit verwandten Gebieten führen kann."

Geringere Abflussmengen

Die Studie untersuchte 420 Flusseinzugsgebiete in allen klimatischen Regionen der USA, für die umfangreiche historische Datenreihen von Temperatur, Niederschlag und Abfluss vorhanden waren.  "Wir sehen, dass eine Temperaturzunahme von zwei Grad Celsius in den Untersuchungsgebieten mit einer durchschnittlich 30-prozentigen Abnahme von Schneefall einhergeht", sagt Wouter Berghuijs, Erstautor der Studie. Zwar schwanke der genaue Wert je nach Gebiet und vorherrschenden Umweltbedingungen. Eine systematische Analyse der historischen Daten zeige jedoch auch, dass bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius der durchschnittliche jährliche Abfluss aus Flusseinzugsgebieten um etwa 10 Prozent abnehme, so Berghuijs.

Gesellschaftliche Folgen

Vor diesem Hintergrund warnen die Forscher vor gesellschaftlichen Folgen, denn mehr als ein sechstel der Weltbevölkerung sei abhängig von Schneeschmelzwasser. Laut Hrachowitz sei dies auch für den Alpenraum von großer Bedeutung: "In Österreich, wo die meisten Flusssysteme bis zu einem gewissen Grad von Schnee beeinflusst und reguliert werden, könnte eine Erwärmung dazu führen, dass angepasste Strategien entwickelt werden müssen, um eine sichere und kontinuierliche Wasserversorgung gewährleisten zu können. Dasselbe gilt, vor allem in einem Land wie Österreich, dass sehr auf Wasserkraft angewiesen ist, auch für die Energieversorgung."

Wodurch der Abflussrückgang im Detail verursacht wird, wurde im Rahmen der aktuellen Studie nicht geklärt. "Dazu benötigen wir weitere Untersuchungen", so Hrachowitz. Man gehe aber von unterschiedlichen Ursachen in den sehr verschiedenen Gebieten aus. Ein möglicher Mechanismus sei die erhöhte Reflexion von Sonnenstrahlen bei mehr Schnee und damit die verringerte Menge an Energie, die für Verdunstung bereitsteht. Der Einfluss derartiger Mechanismen auf das Abflussgeschehen in einem Einzugsgebiet sei schwer abzuschätzen, so die Forscher. (red, derStandard.at, 18.5.2014)