Seit Sonntagnacht helfen niederösterreichische Feuerwehrleute im Hochwassergebiet in Bosnien. Entlang der kroatischen Grenze im Nordosten des Landes sind die insgesamt 53 Einsatzkräfte für die Rettung von Menschen zuständig. Bereits am Sonntagabend wurden insgesamt 70 Personen in Sicherheit gebracht, am Montag ging der Einsatz ohne Pause weiter.

Robert Pölz ist der Leiter des österreichischen Hilfseinsatzes, der sich zum ersten Mal aus Mitgliedern der Feuerwehr und der Wasserrettung zusammensetzt. Im Gespräch mit derStandard.at spricht Pölz von einem "sehr improvisierten, aber sehr effektiven Einsatz".

Einsatzleiter Robert Pölz in Bosnien.
Foto: Matthias Fischer/Richard Berger

derStandard.at: In Österreich gehen die Pegelstände nach dem Hochwasser in Niederösterreich zurück, in Vidovice ist das Wasser in der vergangenen Nacht um einen Meter gestiegen. Wie kommt das zustande?

Pölz: Die Region Orašje, die den österreichischen Einsatzkräften zugeteilt wurde, ist tiefer gelegen und füllt sich im Moment durch Dammbrüche entlang der Save wie eine Badewanne. Heute wird sich noch entscheiden, ob es den Behörden möglich ist, den Damm bei Šamac zu stopfen. Gelingt das nicht, sind weiter 25.000 Personen von den Fluten betroffen, und es bleibt nur mehr die Flucht über kroatisches Staatsgebiet.

derStandard.at: Was sind die Aufgaben der österreichischen Einsatzkräfte im Gebiet?

Pölz: Menschenrettungen haben im Moment höchste Priorität, und wir arbeiten 24 Stunden durch, um die Menschen in Sicherheit zu bringen. Mit zwei Booten versuchen wir viele eingeschlossene Personen zu überreden, ihre Häuser zu verlassen. Doch einige wollen das nicht und lassen sich auch nicht durch Nachbarn oder den Bürgermeister überreden. Das macht unsere Arbeit schwer, weil die Personen, die sich tagsüber nicht retten lassen, oft nach Einbruch der Dunkelheit geholt werden müssen.

Die österreichischen Einsatzkräfte sind vor allem für Menschenrettungen zuständig.
Foto: Matthias Fischer/Richard Berger

derStandard.at: Durch die Fluten wächst die Gefahr, dass aus dem Bosnien-Krieg stammende Landminen weggeschwemmt werden können. Wie reagieren Sie auf dieses Szenario?

Pölz: Grundsätzlich besteht die Gefahr durch nichtexplodierte Landminen vor allem außerhalb der Ortschaften. Wir haben zwar Kartenmaterial von den Behörden bekommen, auf dem die ursprünglichen Positionen der Minen eingetragen sind, doch das ist durch das Hochwasser eher wertlos geworden. Man müsste nun die Strömung berechnen, um zu wissen, wo in etwa Minen sein könnten. Prinzipiell ist die Mannschaft sensibilisiert, und wir sprechen auch mit den Einheimischen über das Thema.

derStandard.at: Seit Sonntagabend sind Veterinärmediziner im serbischen Krisengebiet unterwegs, um Tierkadaver aus dem Wasser zu ziehen. Wie funktioniert das in Bosnien?

Pölz: Wir hatten gestern noch vor, uns heute auf die Tierbergungen zu konzentrieren. Weil in der Nacht das Wasser weiter angestiegen ist, hat aber die Rettung von Menschen im Moment höchste Priorität.

Auch Tiere werden von den Feuerwehrleuten in Sicherheit gebracht.
Foto: Matthias Fischer/Richard Berger

derStandard.at: Welchen großen Unterschied gibt es zwischen dem Einsatz in Bosnien und einem Hochwassereinsatz in Österreich?

Pölz: Passiert so ein Hochwasser in Österreich, kann man die Pegelhöhen an jedem Fluss oder Bach ablesen. In Bosnien gibt es das nicht. Das macht es für uns schwer zu planen. Wir leben im Moment von Tag zu Tag und von Menschenrettung zu Menschenrettung.

derStandard.at: Gab es für Sie eine besonders anstrengende oder berührende Menschenrettung?

Pölz: Gestern am Abend wurden wir ausgeschickt, um eine Familie in Sicherheit zu bringen, die sich rund vier bis fünf Kilometer vom Ortszentrum entfernt im gefluteten Augebiet befunden hatte. Mit zwei Booten und der Wasserrettung rückten wir aus und fanden mithilfe von Einheimischen trotz Dunkelheit das Haus. Als wir ankamen, wurden wir drei Kilometer weiter geschickt, um eine weitere Familie einzusammeln. Insgesamt 13 Personen wurden schließlich von uns gerettet – unter ihnen auch ein drei Monate altes Baby. Die Rückfahrt durch das Augebiet dauerte schließlich zweieinhalb Stunden. So einen Einsatz hat von allen anwesenden Personen noch niemand erlebt.

Der Pegel in der Katastrophenregion steigt noch immer an.
Foto: Matthias Fischer/Richard Berger

derStandard.at: Ist bereits absehbar, wie lange der Einsatz noch dauern wird?

Pölz: Das entscheidet sich eben erst heute. Gelingt es, die Dammlücke bei Šamac zu schließen, dann ist unsere Aufgabe mit Menschenrettungen abgeschlossen. Gelingt es nicht, dann kann man nicht sagen, wie lange dieser Einsatz noch dauern wird. (Bianca Blei, derStandard.at, 19.5.2014)