STANDARD: Finanzminister Michael Spindelegger hat in einem Brief an die EU-Kommission Nachbesserungen im Budget um eine Milliarde Euro angekündigt, ÖVP-Staatssekretär Jochen Danninger spricht jetzt von weniger. Was gilt denn nun?
Steßl: Der reduzierte Umfang ergibt sich aus der mittlerweile erfolgten Antwort aus Brüssel: Die EU-Kommission erkennt nicht den ganzen Betrag an, sondern hat die von uns dank der besseren Konjunktur erwarteten 300 Millionen Euro an Mehreinnahmen herausgerechnet. Aus diesem Grund liegt Staatssekretär Danninger richtig, wenn er von maximal 650 Millionen spricht.
STANDARD: Das heißt aber, die im Brief genannten Maßnahmen sollen alle durchgeführt werden.
Steßl: Nein. Auf jeden Fall kommen sollten die Maßnahmen, die der Finanzminister per Verordnung verhängen kann - etwa jene gegen den Betrug bei der Kapitalertragssteuer. Besonders freue ich mich, dass die ÖVP nun meinen Vorschlag akzeptiert hat, Strafzuschläge bei Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung einzuführen. Dazu starten gerade die Verhandlungen in der Regierung.
STANDARD: Und was ist mit den nicht näher definierten "Ad-hoc-Kürzungen" von bis zu 350 Millionen Euro?
Steßl: Sie sprechen die Mittelverwendungsbindungen an, die das Finanzministerium gemäß Haushaltsrecht verfügen könnte ...
STANDARD:... hinter denen sich wohl einmal mehr undifferenzierte Einsparungen mit dem "Rasenmäher" verbergen.
Steßl: Nein, die sind nur als allerletzte Maßnahme gedacht, wenn alle anderen Stricke reißen. Dafür würde es auch einen einstimmigen Ministerratsbeschluss benötigen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass es so weit kommen wird: Wir liegen beim Budgetvollzug stets besser als in den Planungen, auch beim strukturellen Defizit. Im Vorjahr war das nicht anders.
STANDARD: Warum hat die Regierung per Brief nachgebessert und diese Maßnahmen nicht gleich im Budget verbucht? Die ganze Aktion wirkt sehr chaotisch.
Steßl: Das hängt mit dem besonderen Zeitplan heuer zusammen. Der Finanzminister hat am 29. April seine Budgetrede im Parlament gehalten, erst am 5. Mai hat die EU-Kommission ihre Stellungnahme versendet, einen Tag danach hat der Rat der europäischen Finanzminister getagt. Um die Empfehlungen der Kommission zu berücksichtigen, hat die Regierung zusätzliche Möglichkeiten aufgezeigt. Das hat Minister Spindelegger entgegen den Behauptungen der Opposition übrigens auch im Budgethearing im Parlament angesprochen.
STANDARD: Die Regierung hat schon viel früher gewusst, dass die EU-Kommission einen schärferen Konsolidierungskurs verlangt, als Österreich vorlegen will. Haben Sie die Reaktion aus Brüssel unterschätzt?
Steßl: Vorgelegen ist die Stellungnahme der Kommission erst, nachdem sie das Budget analysiert hat.
STANDARD: Auch die nächste Kritik aus der EU ist absehbar: Die Kommission will das strukturelle Nulldefizit bereits 2015 statt 2016. Wird die Regierung wieder nachbessern und dem Wunsch entsprechen?
Steßl: Nein. Wir halten am Budgetpfad fest, das strukturelle Defizit 2016 erreichen zu wollen. Diesen Konsolidierungsrhythmus haben wir bewusst gewählt, um uns trotz Einsparungen auch beschäftigungsfördernde Offensivmaßnahmen leisten zu können. Wir gehen da einen ausgewogeneren Weg als Länder wie Griechenland, wo einfach nur kaputtgespart wurde. Strukturell gesehen gibt es dort heute sogar Budgetüberschüsse - aber gut geht es den Menschen nicht.
STANDARD: Von griechischen Dimensionen ist ja keine Rede. Wenn die Nachbesserungen tatsächlich greifen, wird Österreich heuer ein strukturelles Defizit von 0,8 Prozent verbuchen, da ist der Sprung unter die verlangten 0,5 Prozent nicht mehr so groß.
Steßl: Aber Sie haben ja miterlebt, welche Aufregung bereits eine relativ geringe Konsolidierung wie im Bildungsressort auslösen kann. Wir ziehen das Nulldefizit nicht vor und bleiben bei 0,45 Prozent ab 2016.
STANDARD: Sie haben auf die Strafzahlungen für Steuerhinterzieher gedrängt. Doch nicht jeder Fehler, der in Selbstanzeige mündet, passiert absichtlich. Ist es fair, kleine Steuerzahler, denen im komplizierten System ein Irrtum unterläuft, zu schröpfen?
Steßl: Die genannten 25 Prozent Strafzuschlag sind ein Mittelwert, geplant ist ein progressives System: Die Pönalen sollen laut meinem Vorschlag mit fünf Prozent ab einem Betrag von 50.000 Euro einsetzen und gestaffelt auf bis zu 50 Prozent steigen. Mir geht es nicht um die kleinen Fische, sondern um große. Da sprechen wir von hunderttausenden Euro an hinterzogenen Steuern.
STANDARD: Die ÖVP kritisiert mangelnde Budgetdisziplin der SPÖ - und mehr oder minder direkt Führungsschwäche von Bundeskanzler Werner Faymann. Hält sich die SPÖ nicht an den vereinbarten Sparkurs?
Steßl: Ich denke, das kann man mit wahlkampfbedingter Nervosität in der ÖVP erklären - und der innerparteiliche Druck in Richtung einer Steuerentlastung dürfte auch dort stärker werden. Die SPÖ steht zur vereinbarten Konsolidierung. Mit einer Gegenfinanzierung durch Millionärsabgaben ist eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer aber trotzdem möglich. (Gerald John, DER STANDARD, 20.5.2014)