Auch in Smedarevska Palanka südöstlich von Belgrad ist die Flut noch nicht gebannt.

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Im bosnischen Visoko wurden auch Minenfelder überschwemmt.

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Der strahlende Sonnenschein in Serbien trügt. Die unmittelbare Hochwassergefahr ist noch nicht vorbei. Schon Mittwochmorgen wird eine neue Welle an der Save erwartet. Die provisorischen, aus Sandsäcken gebauten, Dämme sind durchnässt und zeigen Risse. Auch die Evakuierung der Bevölkerung wird fortgesetzt: Temperaturen bis zu 30 Grad werden in den nächsten Tagen erwartet, es besteht akute Seuchengefahr in den verwüsteten Gebieten, zahllose Kadaver liegen immer noch herum.

Die Behörden warnen von hastiger Rückkehr, vielen Häusern droht Einsturzgefahr, die Sanierungsarbeiten werden monatelang dauern. Dutzende Menschen kamen bisher in Kroatien, Serbien und Bosnien und Herzegowina ums Leben, viele Tausend mussten evakuiert werden, in Serbien gab es zwanzig Tote.

Am schlimmsten hat es den Belgrader Vorort Obrenovac mit über 20.000 Einwohnern erwischt. "Obrenovac gibt es nicht mehr", verkündete am Wochenende das Staatsfernsehen. In einzelnen Teilen der Gemeinde ragten nur noch Dächer aus dem Wasser.

Dramatische Bilder und Geschichten kamen von überall: eine Mutter musste zuschauen, wie ihr die Flut das Baby wegreißt, Kinder beweinten ihre Eltern, die ihre Häuser nicht verlassen wollten, Feuerwehrleute retteten ganze Familien.

Die Naturwissenschaftliche Fakultät in Zagreb berechnete die Ausmaße der größten Flutwelle in der Geschichte der Region: Nahezu 22.900 Quadratkilometer sind in Kroatien, Serbien und Bosnien überschwemmt worden - das entspricht etwa der Fläche Sloweniens. In Serbien sind rund 3000 Kilometer Straßen und bis zu 100 regionale Brücken, Eisenbahngleise und zahllose Häuser ruiniert, gar nicht zu reden von den Folgen für die Landwirtschaft. Der Schaden wird auf ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt.

Doch Hilfe kommt von überall. Rettungsteams kommen aus ganz Europa, darunter auch dutzende Feuerwehrleute aus Österreich. In der Not fühlen sich die Serben zum ersten Mal wirklich als Teil Europas: Nicht nur wegen des Mitgefühls, sondern vor allem wegen des EU-Solidaritätsfonds, zu dem Serbien, das im Jänner Beitrittsverhandlungen mit der EU begann, nun Zugriff hat. Serbische Zeitungen schreiben von einer Milliarde Euro.

Eine Million aus Österreich

Die österreichische Bundesregierung hat am Dienstag beschlossen, Bosnien-Herzegowina und Serbien mit einer Million Euro zu helfen, die Mittel stammen aus dem Auslands-Katastrophenfonds. Das Geld soll österreichischen NGOs für die Hilfe in den betroffenen Gebieten zur Verfügung gestellt werden.

Aber auch regional kommen erstmals seit den Kriegen der 1990er-Jahre die vergessenen Gefühle der "Brüderlichkeit und Einigkeit" hervor. "Hoch leben die Völker des ehemaligen Jugoslawien. Gott sei mit euch", twitterterte der serbische Tennisstar Novak Djokovic, der eine halbe Million Dollar spendete und in der ganzen Welt für Hilfe wirbt, und zwar nicht nur für Serbien.

Als ins schwer betroffene Bosnien Hilfe aus Serbien und Kroatien kam, titelte die national orientierte bosniakische Zeitung Dnevni Avaz: "Aus der Sintflut ist Jugoslawien wieder aufgetaucht". Die Solidarität sprengt dieser Tage ethnische Grenzen.

Ein Viertel der bosnischen Bevölkerung ist betroffen. Erdrutsche verschlangen ganze Orte. Niemand weiß, wie viele Landminen, die aus dem Bürgerkrieg vor 20 Jahren stammen, von der Flut mitgerissen worden sind. (Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD, 21.5.2014)