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Raphaela Möst (Agnes) und Matthias Franz Stein, der mehrere Männerrollen spielt.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien - Ein Röhrenempfänger steht auf der Probebühne des Theaters in der Josefstadt, Melodien und Nachrichtenfetzen dringen in den Zuschauerraum. Manches, wie die Meldung vom 100. Todestag Beethovens, weht aus einer anderen Zeit herein, Geschnatter über Mariah Carey ist wiederum nur zu vertraut. Die sich schließlich zu einem bedrohlichen Tosen entwickelnde Geräuschkulisse deutet bereits an, wie Die Geschichte vom Fräulein Pollinger mit Zeit und Stimmung zu spielen versteht.

Aus Ödön von Horváths erstem, posthum erschienenem Roman Sechsunddreißig Stunden hat Regisseur Fabian Alder mit Schauspielerin Raphaela Möst und Dramaturgin Barbara Novotny eine lockere Mischung aus Vortrag und Spiel gefertigt. Erzählt wird von der arbeitslosen Näherin Agnes Pollinger (Möst), die 1928 den ebenfalls arbeitslosen Eugen nach einem romantischen Nachmittag versetzt, um sich als Aktmodell ein paar Groschen zu verdienen und ungute Herrenbekanntschaften zu machen.

Matthias Franz Stein übernimmt mit sichtlicher Darstellungsfreude die männlichen Rollen, die Musiker Roman Britschgi und Oliver Roth untermalen oder kontrapunktieren das Geschehen mit Geplucker zwischen Kinderlied und Krach. Das Zentrum der achtzigminütigen Aufführung bleibt aber stets Raphaela Möst.

Die Geschichte vom Fräulein Pollinger zeigt eine Zeit, deren Jugend noch an den Folgen des Ersten Weltkriegs zu tragen hat und die den Verlauf der Geschichte als etwas Unverständliches und Bedrohliches erlebt. So auch als aufgeweckter Nachtrag zu mitunter recht behäbigen Gedenkjahrinszenierungen zu sehen, spielt die Aufführung in einer Welt, die "doch nur nach kaufmännischen Gesetzen regiert wird". Hier wird Agnes erst an einen sehr modern gezeichneten Künstler und schließlich an einen Schweinemetzgersohn weitergereicht. Als diesem die Gegenleistung für die Einladung auf ein Schnitzel mit Gurkensalat nicht gefällt, wird Agnes vom Mädchen, das "auch einen Spaß versteht", zum "faulen Luder".

Die diesen Leidensweg säumenden Boshaftigkeiten Horváths bringt das Stück wunderbar zum Funkeln. Dazwischen singen Möst und Stein ein wenig John Lennon oder verlassen die Bühne, um einen Ausflug zum Starnberger See als Video einspielen zu lassen. Nicht jeder Einfall mag dabei zwingend notwendig erscheinen, in Summe tragen sie jedoch zum kurzweiligen Charakter dieser erfreulichen Produktion bei. (Dorian Waller, DER STANDARD, 22.5.2014)