Der Planer des Intercont-Eislaufverein-Areals, Isay Weinfeld, ist diese Woche in Wien. Mit Wojciech Czaja sprach der brasilianische Architekt über das Wiener Weltkulturerbe, über 73 Meter hohes Glück und über seinen Wunsch, eines Tages ein Bordell zu bauen.
STANDARD: Waren Sie jemals eislaufen?
Weinfeld: Bis heute noch nicht, was in erster Linie klimabedingt ist, aber ich bin offen für neue Entdeckungen.
STANDARD: Wo würden Sie es am liebsten ausprobieren?
Weinfeld: Ich weiß nicht, ob das jetzt eine Fangfrage ist, aber ich denke mal, im Wiener Eislaufverein.
STANDARD: Der spricht sich aktuell gegen Ihr Projekt aus.
Weinfeld: Ja, das habe ich vernommen. Dazu kann ich nur sagen: Wir sind jetzt am Anfang. Ich bin offen für jeden Dialog.
STANDARD: Wie ist es, als Architekt eine so fremde Materie wie Eis zu bearbeiten?
Weinfeld: Ganz normal. Ich habe ja auch keine Haare am Kopf und fühle mich dennoch durchaus in der Lage, einen Frisiersalon zu planen. Als Architekt muss man nicht alles verkörpern, was man macht. Man muss nur bereit sein zu lernen.
STANDARD: Was haben Sie bisher über Wien gelernt?
Weinfeld: Das allererste Kapitel, das ich absolviere, wenn ich in einer neuen Stadt ankomme, lautet Gastronomie. Bei mir geht nicht nur die Liebe, sondern auch das Bauen durch den Magen.
STANDARD: Das Projekt spaltet die Bevölkerung. Wie geht man als Architekt mit diesen Emotionen um?
Weinfeld: Solche Emotionen sind ganz normal, vor allem dann, wenn man mitten in der Stadt etwas verändert und am alten, gewohnten Bild kratzt. Aber die Wahrheit ist: Man kann nie allen gefallen. Man kann mit der eigenen Arbeit immer nur einen Bruchteil der Menschen erreichen und glücklich machen.
STANDARD: Und was ist mit dem Rest?
Weinfeld: Den gilt es zumindest zufriedenzustellen. Höchstes Glück für alle wäre ein zu hoch gegriffenes Ziel.
STANDARD: Die Wiener Innenstadt ist Unesco-Weltkulturerbe. Inwiefern hat sich dieser Umstand auf die Planung ausgewirkt?
Weinfeld: Wir waren in Dialog mit der Unesco und haben die Vorgaben respektiert. Ich finde die Auszeichnung zum Weltkulturerbe sehr wertvoll.
STANDARD: Einige Gegner befürchten, dass durch den Bau des 73 Meter hohen Wohnturms das Unesco-Weltkulturerbe in Gefahr sein könnte.
Weinfeld: Dann frage ich Sie: Ist ein einzelnes Gebäude wirklich in der Lage, das Weltkulturerbe zu gefährden? Das kann ich mir nicht vorstellen. Die Wiener Innenstadt kann es mit meinem Projekt mit links aufnehmen.
STANDARD: Wären Sie bereit, die Turmhöhe zu reduzieren?
Weinfeld: Ich finde solche Schwarz-Weiß-Ausschlussdiskussionen, wie sie bisweilen geführt werden, nicht besonders zielführend. Leider wird die Architekturdebatte oft darauf reduziert. Lassen Sie es mich so formulieren: Befürchtungen, Ängste, Anfeindungen - das sind alles Meinungen, die es zu respektieren gilt. Und ich werde sie entsprechend respektvoll behandeln.
STANDARD: Haben Sie bereits Einblick in den Wiener Bauordnungsparagrafendschungel bekommen?
Weinfeld: Nur ein bisschen.
STANDARD: Welche Unterschiede nehmen Sie zwischen dem Bauen in Europa und Brasilien wahr?
Weinfeld: Es ist überall ein bisschen anders. Aber am Ende ist es überall gleich. Wenn man in der Lage ist, dieselben Qualitätsmaßstäbe zu definieren und darauf zu bestehen, dann ist das Bauen letztendlich überall gleich.
STANDARD: Bestehen Sie auf die Qualität Ihres Projekts?
Weinfeld: Selbstverständlich.
STANDARD: Investor Michael Tojner von Wertinvest hat bei der Projektpräsentation erklärt, man solle die Pläne für das Intercont-Areal nicht allzu genau nehmen, denn schließlich würde sich das Projekt ja noch ordentlich ändern. Wie geht es Ihnen, wenn Sie so etwas hören?
Weinfeld: Wunderbar! Genau so wird es sein. Ein Projekt, und vor allem ein Projekt in so einer sensiblen Lage, ist niemals ein Endzustand, sondern immer nur ein Prozess, ein Prozess, in den nach und nach unterschiedlichste Meinungen der Anrainer und Nutzer miteinbezogen werden. Wissen Sie, ich halte nichts von Architektur, bei der sich der Urheber als Genie sieht. Ich bin einfach nur ein guter Zuhörer, der die Fähigkeit besitzt, das Gehörte in etwas Gebautes zu verwandeln. Und ich bin ein verdammt guter Zuhörer. Daher freue ich mich schon auf die kommenden Monate.
STANDARD: In einem Interview sagten Sie einmal, Sie würden gern einmal ein Bordell und eine Tankstelle bauen.
Weinfeld: Oh ja, das ist immer noch so! Ich denke immerzu an Fellinis Amarcord. Ich kann's nicht leugnen. Die Bilder in diesem Film, in diesem Bordell sind gewaltig. So etwas würde ich auch einmal gerne machen. Und was die Tankstelle betrifft: Ich habe kürzlich einen Auftrag in Afrika bekommen und arbeite bereits am Entwurf. Ist das nicht wunderbar?
STANDARD: Und das Bordell?
Weinfeld: Das Bordell ist noch ein Wunsch. Das könnte ja mein zweites Projekt in Österreich werden, wer weiß. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 22.5.2014)