Die Schweizer Großbank Credit Suisse wurde in den USA zu einer Strafe von 2,6 Milliarden Dollar verdonnert, weil sie dort das getan hat, was in Europa bis vor kurzem ein ganz normales Geschäft war: Reichen bei der Hinterziehung ihrer Steuern zu helfen.

In einer Zeit, in der alle Parteien und Bundesländer davor warnen, dass hochgiftiges amerikanisches Essen unsere sauberen Lebensmittel von den Tellern verdrängen könnten, zahlt es sich aus auf zwei Bereiche hinzuweisen, in denen in den vergangenen Jahren die USA in Europa für wirtschaftliche Sauberkeit gesorgt haben: der Kampf gegen Steuerhinterziehung und die Zahlung von Schmiergeldern in Ländern, die ohnehin meist schon korrupt sind.

Europa hat Standards ignoriert

Das sind zwei zentrale Fragen der ökonomischen Ethik, und bei beiden hat Europa jahrzehntelang alle moralischen und legalen Standards ignoriert – bis US-Behörden und Politiker dem nicht mehr zusehen wollten. Der Druck aus Washington war oft unbarmherzig und brutal, aber am Ende hat er gewirkt.

Schon seit jeher galt Steuerhinterziehung für Amerikaner als echtes Verbrechen, für das Menschen ins Gefängnis gingen – als Diebstahl an der Gemeinschaft. Sie konnten nicht verstehen, wie die europäischen Staaten fast tatenlos zusahen, dass diejenigen, die es sich am meisten leisten konnten, ihre Gelder in der Schweiz, nach Liechtenstein oder Luxemburg versteckten oder auf andere Weise ihre Steuern nicht bezahlten.

Österreich mit seinem Bankgeheimnis stand auf der Liste der fragwürdigen Länder ziemlich weit oben.

Die US-Politik hatte genug

Als europäische Banken immer stärker begannen, diese Dienstleistungen auch reichen Amerikanern anzubieten, hatte die US-Politik genug – und veränderte damit die europäische Wirtschaft.

Es waren die USA, die die Schweiz und Liechtenstein dazu zwangen, ihr strenges Bankgeheimnis aufzuweichen. Mit der ganzen Härte der US-Justiz gingen sie gegen die Länder, die Institute und die Manager vor, um dieses lukrative Geschäftsmodell zu knacken.

Und weil andere Staaten wenig Interesse zeigten, nutzten sie die nach 2001 auch den „Kampf gegen Terror“ für diese Zwecke. Die Financial Action Task Force (FATF) der OECD bekämpfte formal vor allem die kriminelle Geldwäsche, in dem sie Länder zur Transparenz zwangen. Aber stets ging es dabei auch um Steuern.

Steuerhinterziehung als EU-Thema

Erst nach und nach sprangen große europäische Staaten wie Deutschland und Frankreich, die jahrelang der Steuerhinterziehung tatenlos zugesehen hatten, auf den Zug und machten den Kampf dagegen auch zu einem Thema in der EU.

Der automatische Datenaustausch kommt, trotz des absurden Widerstands von Österreich und Luxemburg, und wird Steuerhinterziehung deutlich erschweren.

Aber auch dazu haben die USA entscheidend beigetragen: Österreichs Bankgeheimnis für Ausländer wird zuerst für Amerikaner beendet, weil die US-Regierung uns dazu gezwungen hat, Fatca zu akzeptieren – den „Foreign Account Tax Compliance Act“, der die Herausgabe aller Bankdaten aller Amerikaner in aller Welt verlangt.  Damit kann auch das Bankgeheimnis für EU-Bürger nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Ohne die USA wäre Österreich immer noch eine kleine, liebe Steueroase.

Vorreiter bei Korruptionsbekämpfung

Auch beim Thema Korruption waren die USA seit Jahrzehnten die Vorreiter. Seit der Verabschiedung des Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) 1977 ist die Zahlung von Schmiergeldern im Ausland ein krimineller Akt, der mit Gefängnisstrafen geahndet wird.

In Europa hingegen waren Schmiergelder – Provisionen genannt – nicht nur legal, sie durften sogar als Betriebsausgabe von der Steuer abgesetzt werden.

Weil europäische Unternehmen für Aufträge schmieren durften und die amerikanischen nicht, waren die letzteren benachteiligt und beschwerten sich immer lauter bei ihrer Regierung. Und die handelte.

Einerseits übten die USA über die OECD und die Uno ab Ender der 1990er-Jahre Druck aus, um in den Industriestaaten einheitliche Antikorruptionsgesetze durchzusetzen.

Millionenstrafen für Siemens und Daimler

Und die USA nutzten die im US-Rechtssystem vorgesehene Extraterritorialität der amerikanischen Gesetze, um europäische und vor allem deutsche Konzerne zu bestrafen. Siemens und Daimler mussten in den USA Strafen von Hunderten Millionen Dollar bezahlen, weil sie in Entwicklungsländern  geschmiert hatten, um an Aufträge zu kommen.

Bei Siemens kam es in Folge zur Kulturrevolution, für die dann der Österreicher Peter Löscher an die Konzernspitze geholt wurde.

Und in allen europäischen Staaten wurden die Korruptionsgesetze den amerikanischen Vorgaben angepasst. Das kam auch für manche heimische Manager höchst überraschend.

Auch der frühere Nationalbankvizegouverneur Wolfgang Duchatczek und die Manager der Österreichischen Banknotendruckerei wären nie wegen Korruption verurteilt worden, wenn es die USA nicht gegeben hätte. (Eric Frey, derStandard.at, 22.5.2014)