Wien - Die Familienrichter sprechen sich für eine Abschaffung des Verschuldensprinzips bei Ehescheidungen aus und fordern eine Überarbeitung des Eherechts, berichteten die "Presse" und Ö1 am Donnerstag. Künftig sollen anstelle der Verschuldensfrage objektive Kriterien die Höhe des Unterhalts bestimmen.
Wie viel Unterhalt jemand erhält, hängt derzeit davon ab, wer schuld ist am Ehe-Aus. Das Verschuldensprinzip wurde etwa in Deutschland und der Schweiz längst abgeschafft. "Österreich hinkt hier nach", sagte Assistenzprofessorin Barbara Beclin im ORF-Radio. Das von ihr ausgearbeitete Unterhaltsmodell sieht objektive Kriterien wie die Dauer der Ehe oder die Rollenverteilung der Partner vor. Das Verschulden spielt dabei keine Rolle mehr.
Parteien gesprächsbereit
Die Parlamentsparteien unterstützen den Vorstoß der Familienrichter und zeigen sich verhandlungsbereit. Eine Reform sei überfällig, befindet Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser.
Gesellschaftlichen Realitäten müsse entsprochen werden, findet ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker und will die verschiedenen Möglichkeiten zur Unterhaltszahlungspflicht mit Experten diskutieren. Die FPÖ ist der Abschaffung des Verschuldensprinzips gegenüber nicht abgeneigt, dieses sollte in klaren Fällen aber weiterhin gelten.
Jarolim: Jede Änderung ist besser
SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ist ebenfalls für eine Gesetzesänderung, zumal bei der Klärung der Verschuldensfrage oft "das Letzte an Anstand" zertrümmert werde. "Jede Änderung ist besser", sagte Jarolim zu Ö1. Für die Neos ist die Arbeitsverteilung in der Beziehung ebenfalls wichtiger für die Berechnung des Unterhalts als die Verschuldensfrage, auch das Team Stronach zeigte sich verhandlungsbereit. Allerdings sollten die Höhe des Unterhalts sowie die Zahlung zeitlich begrenzt werden können.
Der Grüne Steinhauser geht davon aus, dass man sich durch den Wegfall der Verschuldensfrage "ruinöse Rosenkriege" ersparen könnte. Er plädiert für die Einführung sozialer Kriterien.
Ministerium: Kein Reformbedarf
Justizminister Wolfgang Brandstetter (von ÖVP nominiert) sieht beim Eherecht aktuell keinen Reformbedarf. Die Vorschläge der Familienrichter würden jedoch geprüft, hieß es aus seinem Büro. Es gebe verschiedene Vorschläge im Bereich des Eherechts, die Abschaffung des Verschuldensprinzips sei einer davon.
Für die zweite Hälfte der Legislaturperiode gebe es Überlegungen, etwas beim Unterhalt zu unternehmen. Im Rahmen dessen könnte es Änderungsbedarf in Teilen des Eherechts geben. Das werde dann zu prüfen sein, hieß es. Wichtig sei, dass Frauen durch Änderungen kein Nachteil entstehe. (APA, 22.5.2014)