Birgit Kraft-Kinz: Optimieren oder innovieren?

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Seit einigen Jahren fällt mir schon auf: Die Schönwetterkapitäne sind uns abhandengekommen. Kein Wunder: Die Wirtschaft ist stürmisch und unsicher. Wir alle befinden uns auf hoher See, und so manchen von uns ist ein wenig schwindlig. Woran festhalten? Alles scheint instabil.

In den Gesprächen mit Topmanagern ist wenig Freude und oft Verunsicherung zu spüren. Die Wirtschaftsanalysen liegen da; sie sind glasklar, und die Vernunft dominiert. Hier ist kein Platz für Träume oder verrückte Zukunftsgedanken. Sture Entschlossenheit herrscht vor. Die Konzepte, die vorwiegend von Unternehmensberatern erstellt werden, konzentrieren sich auf gezielte Optimierung. Die Manager haben gelernt, schlechte und unangenehme Neuigkeiten auszusprechen.

Tagesmenü: Optimieren

Es ist an der Tagesordnung, weitere Optimierungen zu erdenken und rasch und effizient umzusetzen. Die Organisation ist daran gewöhnt. Die Mitarbeiter gehen mittlerweile oberflächlich gelassen mit den Neuigkeiten um. Das geschickte Ducken und Nichtauffallen trägt direkt zum Joberhalt bei. Die konsequente Umsetzung der Optimierungsmaßnahmen ist an einem Höhepunkt angelangt.

Die Gegenstimmen, das Nachfragen und das Argumentieren haben nachgelassen. In den Firmenzentralen sind kaum mehr heiße Debatten, emotionale Ausbrüche oder leidenschaftliche Diskussionen in den Gängen zu hören. Es ist leise geworden. Das jahrelange Management wirkt.

Fundament für Ideen

Einsame Rufer sprechen über Europa als Wissensgesellschaft und fordern das kreative Potenzial. Was unsere Väter und Mütter geschaffen haben, ist das Fundament für Ideen und Erfindungen. Wo liegt unsere Zukunft?

Oft schon habe ich nachgedacht, wie es möglich war, dass Österreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg so schnell aus der Asche - like a Phoenix ;-) - wieder aufstanden?! Die Zerstörung und das persönliche Leid waren übergroß. Die Schuld und die Verantwortung drückten enorm. Wie wieder auf die Beine kommen? Wie einen Fuß vor den anderen setzen?

Eine kaum fassbare Leistung unserer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Wie haben sie damals den Mut gefasst, wie haben sie die große Krise überwunden, wie kam der Optimismus nach allem Leid zurück?

Wir können das

Meine Erkenntnis: Große Ideen und das Unternehmertum vieler haben zu dem heutigen Wohlstand geführt.

Das tragen wir in uns - als Erbe und als Selbstwert, die uns sichern. Wir wissen: Wir können das.

Captain Sparrow in Fluch der Karibik ist genial; er kommt scheinbar zufällig zu allen seinen Erfolgen. Das Glück und der Zufall spielen ihm zu. Flexibel und gewandt meistert er Stürme und ungeplante Vorkommnisse. Er gefällt den Frauen und agiert charmant. Immer bleibt er im Dialog und verfolgt stetig sein Ziel. Er hat laufend Ideen, gibt nicht auf und nutzt die Situation für sich aus. Lustig und freudig kommt er an sein Ziel. Lässig und cool geht er durch das Leben.

Und wo sind die Grenzgänger?

Die mutige Frau ist Elisabeth Swann (gespielt von Keira Knightley); sie ist entschlossen, energisch und bildhübsch. Zerrissen zwischen der Welt des alten England und jener des Abenteurers Jack Sparrow, lebt sie ihr Leben. Rasant kämpft sie mit allen Mitteln und ihren Reizen für ihre Ziele. Sie überwindet Vorurteile und ergibt sich keinem Klischee. So treffen die alte und die neue Welt aufeinander. Elisabeth Swann ist Grenzgängerin und Innovatorin zugleich.

Welcher Manager identifiziert sich mit Jack Sparrow? Meine Wette: keiner! Welche Managerin mit Elisabeth Swann? Nur einige wenige Managerinnen.

Captain Sparrow und Schönwetterkapitäne; Österreich in der Nachkriegszeit, Optimierung und Innovation - was hat das miteinander zu tun?

Auf Innovation konzentrieren

Gehirnforscher belegen: Wir sind das Ergebnis unserer Gedanken, damals wie heute, hier wie da. Denken wir an Optimierung oder Innovation? Lassen wir verrückte Gedanken zu, oder denken wir das Problem zum x-ten Mal durch? Neues bringt nur Kreativität.

Die brennende Frage lautet daher jetzt: Worauf konzentrieren wir uns - Optimierung oder Innovation? Es braucht eine Kultur der Auseinandersetzung und der Förderung von Ideen. Das ist anstrengend und verlangt Offenheit. Mein persönlicher Beitrag: Ich konzentriere mich auf Innovation. (Birgit Kraft-Kinz, DER STANDARD, 24./25.5.2014)