Gesund? Bestimmt - reicht aber nicht.

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Wer entscheidet eigentlich, was Arbeitsgesundheit ist, wann und wie sie einzusetzen ist und wer Projekte dazu umsetzt? Wie immer sowohl die Kunden als auch die Anbieter.

Weil es sich jedoch auch um ein Thema des öffentlichen Interesses handelt, gibt es auch Arbeitsinspektorat, Krankenkassen, Kammern und andere öffentlich-rechtliche Organisationen. Damit gibt es aber auch Tendenzen zur Standardisierung von Maßnahmen, die lassen sich leichter verwalten und vervielfältigen.

Individualisierte Herangehensweise

Dass damit ein Gegensatz zur wichtigen Erkenntnis der Medizin nach immer mehr individualisierter Herangehensweise geschaffen wird, scheint nicht zu stören. Gesundheitsprojekte müssen einen sehr gut dokumentierten Standardablauf haben, sonst gibt es keine Förderungen.

Was da im Vordergrund steht, kann sich jeder selbst ausmalen. Die Halbwertszeit solcher Projekte ist dementsprechend. Die Anbieter selbst sind sehr inhomogen, der Zugang zu Gesundheitsberatung vielfältig bis schier unglaublich. Von der universitären Ausbildung über Postgraduate-Studien bis zu irgendwelchen Organisationen, Vereinen, Schulen boomen die Ausbildungen.

Dementsprechend unüberschaubar wird die Palette der angebotenen Dienstleistungen, die sich aber alle in der „Modewortwahl“ treffen. Unter den Anbietern herrscht Verteilungskrieg, der durch Alleinstellungsansprüche von einzelnen Berufsgruppen verstärkt wird.

Überfordernde Vielfalt

Ergebnis ist ein Überangebot an standardisierten Maßnahmen oder eine Flut an alternativen bis hin zu hoch esoterischen Unterstützungen. Der dadurch entstehende Eindruck bei den Unternehmen ist eine einzige Überforderung. In den Unternehmen selbst sind Wirtschafter, Juristen, Techniker die Personen in den Managementetagen, die aus der überfordernden Vielfalt über den Einsatz von solchen Maßnahmen entscheiden sollen.

Wie also soll eine Organisation bewerten können, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn die entscheidenden Instanzen selbst kaum etwas von der Materie verstehen, wenn betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten immer mehr Automatisierungsbeschleunigungsdenken in die Unternehmen führen? Wenn hormonelle Regelkreise im Spannungsfall das Spüren des eigenen Organismus massiv reduzieren und die Muster der Beteiligten nicht auf Gesundheit, sondern ausschließlich auf Leistung und Erleben getrimmt sind?

Nicht nur Privatsache

Solange Gesundheit und alles, was damit zusammenhängt, nicht selbstverständlicher Teil der Bildung in Kindergärten, Schulen, Universitäten und sonstigen Berufsausbildungen ist, so lange werden wir Menschen eben nicht die gesundheitsförderlichen Muster zeitgerecht aufbauen.

Gesundheit ist nicht nur Privatsache, Krankheiten und deren Vorstadien haben einen hohen Einfluss auf Betriebsergebnisse und Volkswirtschaft. Die Kosten für krankmachendes Verhalten oder solche Verhältnisse trägt letztendlich immer der Steuerzahler. Es braucht keine großen Schritte, die ohnehin niemand macht, es sind die ganz kleinen, die so selbstverständlich sein sollten wie essen und trinken. Rückwirkende Verbesserungen sind wenig wirksam und letztendlich sehr viel teurer. (Johann Beran, DER STANDARD, 24./25.5.2014)