Das Internet hat dem traditionellen Versandhandhandel auf die Sprünge geholfen.

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Benjamin Otto und Tarek Müller

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Hamburg - Die digitale Zukunft des deutschen Versandhandelsriesen Otto Group liegt im Hamburger Stadtteil Eppendorf. In einem roten Backsteingebäude, einige Kilometer entfernt vom riesigen Gelände der Firmenzentrale ist das Start-Up "Collins“, der jüngste Spross des Familienunternehmens, beheimatet. Hier geht es nicht nur um das Kerngeschäft den Warenversand, sondern auch um Apps und Algorithmen.

Im Wettbewerb mit Online-Riesen wie Amazon oder Zalando hat die Otto Group einen dreistelligen Millionen-Betrag in die Hand genommen, um im Digital-Bereich aufzurüsten. Ein Teil dieser Investition ist "Collins“. 140 Mitarbeiter versuchen, den Online-Handel generell, aber vor allem auch den mobilen Handel über Tablets oder Smartphones komplett neu zu denken.

Dabei ist die deutsche Otto Group in ihrer Reise vom Katalogversandhaus hin zum E-Commerce-Konzern auf Spur. Dafür sprechen auch die Zahlen: Knapp mehr als 60 Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen online, bis 2016 soll der Online-Anteil auf 90 Prozent steigen. Der Gewinn konnte im abgelaufenen Geschäftsjahr mit 3,3 Prozent leicht gesteigert werden, wenn auch unter der eigenen Zielmarke von vier Prozent.

Strukturwandel

Der Handel steht seit Jahren vor einem gewaltigen Strukturwandel. Daran ist nicht nur das Internet schuld. Kleine Anbieter stehen auch der Konkurrenz großer internationaler Ketten gegenüber. Sie bestimmen inzwischen das Bild der meisten Einkaufsstraßen. Fachgeschäfte haben gegen sie kaum eine Chance, viele kleine Geschäfte werden weiterhin zusperren müssen. Für die Kunden heißt das auch billigeres Einkaufen, mit dem Online-Handel bessere Vergleichbarkeit von Preisen.

Mit dem Online-Stellen von Angeboten und dem Verkauf über das Netz ist die Geschichte des Online-Handels noch nicht fertig erzählt, davon ist man beim Hamburger Versandhändler überzeugt. Software-Entwickler, Trendscouts, Mode-Experten, Redakteure und Social Media-Experten bauen bei "Collins“ neue Online-Shops. Die Ziele sind hoch gesteckt: das Einkaufserlebnis online soll revolutioniert werden. Der Enkel des Firmengründers und Geschäftsführer von "Collins“, Benjamin Otto, und sein durchwegs junges Team haben sich ein paar Kilometer entfernt von der Konzernzentrale eingemietet. Die physische Entfernung ist absichtlich gewählt, um unabhängig arbeiten und denken zu können.

Das Ziel, die Shopping-Erfahrung im Netz näher an die bereits gelebte digitale Welt vor allem junger Frauen zu bringen, treibt "Collins“ an. "Junge Menschen lieben Nischenanbieter, und sie sind auf der Suche nach ständigem Input, auf Instagram, auf Facebook oder auf Pinterest, alles perfekt sortiert. Das gilt auch für das Shopping“, sagt Otto.

Open Commerce

Verschiedene Shops sollen im Laufe der Zeit entwickelt werden. Mit der Seite aboutyou.de verfolgt man beispielsweise das Prinzip des "Open Commerce“, erzählt Tarek Müller. Er hat vor elf Jahren seinen ersten Online-Shop gegründet und verkaufte dort Pokerkoffer. Vor elf Jahren war Müller 14 Jahre alt, heute ist er bei "Collins" zuständig für die Shops. Aboutyou.de öffnet sich auch firmenfremden Personen und Entwicklern gegenüber. Müller ist überzeugt davon, dass die besten Ideen nicht immer innerhalb eines Unternehmens gefunden werden, sondern oft von einzelnen kreativen Köpfen. Das will man sich zu Nutze machen.

Das Endprodukt ist eine Online-Shopping-Seite, die auf den ersten Blick nicht viel Neues zu bieten hat. Mode, eingeteilt in Kategorien, ein Online-Shop eben. Doch auf der Seite sind auch knapp 30 Web-Applikationen eingebunden. Nachteule zum Beispiel. Auf einer interaktiven Karte klickt man einen Club an, den man abends unsicher machen will und bekommt gleicht den Dresscode dazu geliefert. Und die Möglichkeit, die Klamotten online zu kaufen. Alles eingebunden unter dem Dach von aboutyou. Bestellungen über die Apps werden in einem Warenkorb gesammelt und laufen über die Dachseite.

Die App-Entwickler von außerhalb sind entweder an den Umsätzen, die über ihre Apps erzielt werden,  beteiligt oder sie können auch selbst ihre Produkte im Umfeld von aboutyou.de verkaufen und zahlen dann für diese Einbindung.

Ziel des Ganzen ist freilich, die Besucher der Online-Shops möglichst lange auf der Seite zu halten und zum Kaufen zu animieren. Über Zahlen will man bei "Collins" noch nicht sprechen. Einen dreistelligen Millionenbetrag habe man zur Verfügung, um damit "marktgerecht profitabel zu werden“, sagt Benjamin Otto. Was "marktgerecht“ genau heißt, darauf legt man sich nicht fest. In den kommenden fünf Jahren soll sich das Projekt rechnen. Auch schweigt man über die Besucherzahlen und die Verweildauer. Und über die Umsätze sowieso. Man tue das ähnlich wie andere Start-Ups auch, aboutyou.de sei erst seit einigen Wochen online. (Daniela Rom, derStandard.at, 23.5.2014)