Annaberg/Wien - Acht Monate nach dem Wilderer-Drama von Annaberg (Bezirk Lilienfeld) mit vier Toten hat das Innenministerium die Untersuchungen zum damaligen Polizeieinsatz abgeschlossen. Demnach wurden "keine Fehler gemacht", der Fall wurde "hoch professionell und lageangepasst abgearbeitet", sagte Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, bei der Präsentation des Evaluierungsberichts.

"Die Polizisten im Einsatzraum haben all das getan, was notwendig war", erläuterte Kogler am Donnerstag bei einem Pressegespräch in Wien. Der Evaluierung zufolge sind "keine Faktoren festgestellt" worden, "die die Tathandlungen durch Alois H. zwingend verhindern hätten können". Das Ziel des Einsatzes sei die Observation und Identifikation eines Täterfahrzeuges bzw. des Täters gewesen und "bei günstiger Lage" eine Festnahme. Die Polizei fahndete im Raum Annaberg nach einem bis dahin unbekannten Täter wegen widerrechtlichen Eingriffs in fremdes Jagdrecht und einer Messerattacke auf einen Jäger im Bezirk Melk. Das Verhalten des Täters sei "für niemanden vorherzusehen" gewesen. Alois H. habe "atypisch" gehandelt und "aktiv die Konfrontation mit der Polizei gesucht", so Kogler. Alois H. habe "bewusst Menschen getötet".

Von langer Hand geplant

Das Verhalten des Mannes sei "berechnend und gezielt auf Polizisten und Sanitäter gerichtet" gewesen, führte Claus Polndorfer, Leiter des psychologischen Dienstes im Innenministerium, aus. "Wir gehen davon aus, dass der Täter seinen Suizid von langer Hand geplant hat und sich unbedingt in seinem Wohnort das Leben nehmen wollte", sagte Polndorfer. Daher habe er auch "jedes Opfer in Kauf genommen, um nach Hause zu kommen". "Er hat den eigenen Suizid verteidigt", formulierte es Polndorfer.

Ab einer gewissen Konfrontationsebene habe Alois H. "den Konflikt gesucht", um involvierte Beamte zu töten, sagte Marius Gausterer, Leiter des Referats für Sondereinsatzangelegenheiten. "Es hat niemand bei einem Wilderer darauf schließen können, dass sich ein Mensch mit derartiger Brutalität durch den Einsatz von drei Schusswaffen und dem Einsatz seines Wagens gegen Menschen zur Wehr setzt".

Das Täterverhalten sei aber nicht nur "atypisch", sondern auch "taktisch sehr profund" gewesen. Der Mann hatte sich mit einem Sturmgewehr, einer weiteren Langwaffe und einer Glock "schwerst bewaffnet" gehabt, erinnerte Gausterer. Er sprach auch davon, dass der Täter "alle Möglichkeiten, die er im Einsatzraum vorgefunden hat, genutzt hat, um seine Flucht zu unterstützen und gegen weitere Menschen Gewalt zu üben". So habe er "Positionen bezogen, wo er die Möglichkeit hat, den gesamten Einsatzraum zu überblicken", von dort habe er "seine Morddelikte gesetzt". Ob H. auch ein Nachtsichtgerät bei sich trug, blieb unklar. Wann wisse lediglich, dass er "darüber verfügt hat". Bis heute nicht gefunden wurde auch ein Sturmgewehr des Täters.

Beamte in "Hochstress-Situation"

Polndorfer betonte, dass sich die Beamten bei dem Einsatz im September vergangenen Jahres in einer "Hochstress-Situation" befunden hätten. Er merkte auch an, dass man "lebensgefährliche Situationen" wie die damalige Lage "nicht trainieren" könne. Annaberg sei "einer der dramatischsten und ergreifendsten Momente der Polizeigeschichte" gewesen. Die Opfer hätten "keine Wahlmöglichkeit gehabt, jeder andere Beamte hätte sich gleich verhalten".

Drei von vier Opfern schoss Alois H. in der Nacht auf den 17. September 2013 in den Hals bzw. Kopfbereich, sagte Gausterer. Ein Cobra-Beamter starb durch die Splitterwirkung eines Projektils. "Wenn er eine Schutzweste getragen hätte, hätte das den Verletzungsgrad reduziert bzw. das Leben gerettet".

Insgesamt waren an dem Einsatz im September 14 Beamte, darunter drei vom EKO Cobra, beteiligt. Sie alle führten Schutzwesten mit, trugen sie jedoch im Einsatz nicht. Eine Empfehlung der Evaluierungskommission ist nun, dass die "Wahlfreiheit des Tragens von Schutzausrüstung bei Gefahrenlagen zu prüfen" sei.

Bezirkskräfte waren aus kriminaltaktischen Gründen nicht in den Polizeieinsatz eingebunden, erklärte Gausterer. Bereits 2012 habe es polizeiliche Maßnahmen gegen einen unbekannten Täter wegen Verletzung fremden Jagdrechtes gegeben. "Wir haben Hinweise drauf gehabt, dass der Täter zu Informationen Zugang hatte", sagte Gausterer. Deshalb habe man sich 2013 "sehr konspirativ verhalten". "Informationen wurden bewusst nicht auf Bezirksebene weitergegeben", sagte der Leiter des Referats für Sondereinsatzangelegenheiten. Lediglich der Pächter einer Hütte im Bereich der Hirschwiese in Annaberg, in der die Beamten Position bezogen und wo der Einsatz vor acht Monaten begann, war über die Fahndung informiert.

Sachkundige Beurteilung

Das Evaluierungsteam, bestehend aus Experten des Ministeriums und externen Fachleuten, hatte unter anderem 52 involvierte Beamte befragt. Es sprach sich für Empfehlungen in den Bereichen Ausrüstung und Technik, Einsatz und Führung, Zusammenarbeit mit Rettungsdiensten, psychologische Aspekte und Kommunikation aus. Dazu zählen u.a. die Verfügbarkeit weiterer gepanzerter Fahrzeuge, der Ausbau der Ortungstechnik und die Schaffung eines österreichweiten, technisch einheitlichen Einsatzleitsystems mit GPS-Erfassung der Einsatzmittel sowie der Ausbau des Sanitäter-Pools beim EKO Cobra. "Wir werden alles umsetzen", sagte Kogler.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bedankte sich in einem Statement gegenüber der APA bei den Experten. Spekulationen wenige Stunden nach "den schrecklichen Morden" seien "vor allem respektlos den Hinterbliebenen gegenüber" gewesen. Mit dem Bericht habe man nun "eine wirklich sachkundige Beurteilung. Ich bin froh, dass die Evaluierung nun abgeschlossen ist und die Polizei daraus nun die notwendigen Schlüsse ziehen kann". (APA, 22.5.2014)