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Foto: Reuters/Vincent Kessler

Paris - Hinter den Kulissen kämpfen Amerikaner und Deutsche verbissener, als sie zugeben würden. General Electric (GE) weiß den Alstom-Vorsteher Patrick Kron auf seiner Seite, Siemens zählt auf Wirtschaftsminister Montebourg und Präsident Hollande.

Privatkonzern gegen Staatsführung also: Das macht die Sache hochkomplex. Die Grenzen zwischen Staat und Wirtschaft sind in Paris seit jeher fließend, die personellen Verflechtungen eng wie einst am Hof in Versailles. Minister und Spitzenbeamte, Ingenieure und Manager kennen sich aus den Kaderschmieden der Republik. Die einen landen irgendwann im Lager der "Angelsachsen". So etwa Clara Gaymard, Ministergattin, Absolventin der Verwaltungseliteschule ENA und heute Präsidentin von GE-France. Sie öffnete GE-Boss Immelt die Türen ins Élysée und stellte ihm Hollande vor.

Die anderen verschlägt es ins Lager der deutsch-französischen Freundschaft. So geschehen dem Ex-Vorsteher des Glas- und Baukonzerns Saint-Gobain, Jean-Louis Beffa. Der heimliche "Pate" der französischen Industrie pflegt eine langjährige Freundschaft mit Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und verfügt über viel Gehör bis ins Élysée.

Geflecht an Beziehungen

Aber so einfach liegen die Dinge in Paris nie. Beffa ist auch Berater der Pariser Bank Lazard, und die arbeitet derzeit für Kron. Deshalb ist die graue Eminenz "hin und her gerissen", wie das Pariser Insiderblatt Lettre A schreibt.

Sekundieren lässt sich Montebourg von der US-Bank Citigroup und dem deutschen Unternehmensberater Roland Berger. Der stehe Siemens nahe, verbreiten Krons Leute in den Pariser Salons. Dagegen lanciert der Münchner Konzern eigene Kommunikatoren, die sich auf dem Pariser Parkett auskennen: die beiden Großbanken des Finanzplatzes, Société Générale und BNP Paribas.

Dagegen wirft GE eigene Spitzenberater und -banken in die PR-Schlacht, neben Lazard etwa die eng vernetzte Agentur Havas sowie Credit Suisse. Alstom hat seinerseits den Werbemann Franck Louvrier angeheuert, einen Spindoktor des früheren Staatschefs Nicolas Sarkozy. Letzterer steht an sich auf der Seite Krons; um seinen Einfluss zu neutralisieren, hat Siemens einen weiteren Sarkozy-Berater, Raymond Soubie, geködert; der vermittelt nun Kontakte zu Alstom-Gewerkschaftern.

Seilschaften und PR

Fast noch wichtiger als politische und betriebliche Kontakte sind die alten Seilschaften der Eliteschulen. Im Fall von Alstom sind es die "Polytechnique" und die "Mines". Siemens-Gegner Kron absolvierte beide. Doch der Alstom-Boss kommt bei seinen einstigen Studienkollegen nicht mehr gut an, seitdem er Alstom in GE aufgehen lassen will. Das gilt als unpatriotisch in der Polytechnique, deren Devise seit Napoleon lautet: "Für das Vaterland, die Wissenschaft und den Ruhm".

Die PR-Agenten von General Electric betonen mangels patriotischen Arguments dasjenige der Jobs. Wie der Entscheid zum Schluss ausfallen wird, ist unsicher. In dem dichten Pariser Geflecht aus Beziehungen, Einflüssen und Abhängigkeiten ist nicht einmal sicher, wer den Entscheid fällen wird. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 23.5.2014)