Die Deutsche-Bahn-Tochter Schenker hatte sich als Kronzeugin angedient, sie dürfte straffrei ausgehen.

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Wien - Die unendliche Geschichte des Speditionskartells in Österreich scheint sich ihrem Ende zu nähern. Zumindest die nächste Etappe ist bald erreicht: Nach vier Jahren Ermittlungen und Verhandlungen hat das Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien wegen Preisabsprachen bei Stückguttransporten vorige Woche einen Spruch verkündet und die Verhängung von Bußgeldern gegen einen Teil der insgesamt 42 involvierten Transportunternehmer in Aussicht gestellt.

Das erfuhr der Standard aus Kreisen involvierter Unternehmen. Demnach muss die ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria, die über ihre damalige Speditionstochter Schier-Otten in die von der Bundeswettbewerbsbehörde aufgedeckten Preisabsprachen involviert gewesen sein soll, mit einer Geldbuße in der Größenordnung von einer Million Euro rechnen. Betroffen seien weiters zahlreiche namhafte österreichische Transportunternehmen. Ein Konzern mit Mutter in der Schweiz soll laut Insidern fünf Millionen Euro Bußgeld zu erwarten haben.

Das Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien bestätigte auf Standard-Anfrage, dass den Antragsgegnern ein Spruch zugestellt wurde. Die Antragsgegner hätten nun vier Wochen Zeit für eine Gegenäußerung. Erst dann werde eine Entscheidung gefällt, sagte ein Sprecher.

Zur Erinnerung: Es geht um fortgesetzte Preisabsprachen zwischen 1994 und 2007 im sogenannten "Stückgutkartell". Selbiges war laut Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wohlorganisiert, als Drehscheibe habe der Zentralverband Spedition & Logistik fungiert, der - nach Vorbild des Lombardclubs der Banken - sogar Protokoll über die in der "Speditions-Sammelladungs-Konferenz" (SSK) vereinbarten Preisabsprachen führte. Diese SSK waren aus Sicht der teilnehmenden Unternehmen allerdings nichts Verbotenes, denn die Übereinkünfte seien als "Bagatellkartell" sogar angemeldet und somit genehmigt gewesen. Gemäß EU-Recht, das die BWB vertritt, sind Bagatellkartelle allerdings unzulässig.

Verschärft wurde die Situation freilich durch ein zweites Kartell. Denn die SSK-Mitglieder haben sich nicht nur untereinander auf einheitliche Tarife für preisumkämpfte Tarife verständigt, sondern auch noch einen Schienenspediteur ins Boot geholt: Hier kommt die ÖBB-Gütersparte RCA erneut ins Spiel, diesmal mit ihrer Inlandsschienenverkehrstochter RCA AG. Dieses zweite Kartell, das die ÖBB seit Auffliegen der Affäre und Hausdurchsuchungen stets vehement in Abrede gestellt hat, sei nicht als Bagatellkartell angemeldet gewesen, sagen mit der Materie vertraute Personen.

Da das Kartellgericht die Causa offenbar in Teilen bearbeitet, könnte es die ÖBB über eine Million Euro Bußgeld hinaus treffen. Vorgesorgt ist dafür in der Bilanz, es wurden vor Jahren rund 40 Millionen Euro rückgestellt.

Außen vor dürfte zumindest ein Marktteilnehmer sein: DB Schenker hatte sich als Kronzeuge angedient und das Kartell angezeigt. Die Deutsche-Bahn-Tochter sollte also straffrei ausgehen.

Strafminderung könnte sechs weiteren Teilnehmern gewährt werden. Sie hatten sich 2011 entschlossen, doch beim Kartellgericht auszupacken. Zuvor waren die Spediteure mit dem Bagatellkartell beim Europäischen Gerichtshof abgeblitzt. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 23.5.2014)