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Freiwillige Helfer in Maglaj, Bosnien und Herzegowina.

Foto: REUTERS/DADO RUVIC

Nach den Überflutungen in Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien sind noch immer viele Häuser von Erdrutschen bedroht. Und noch immer müssen Bewohner evakuiert werden, am Donnerstag etwa in Lukavica im Kanton Tuzla in Bosnien-Herzegowina.

Insgesamt hat sich die Situation etwas entspannt. Der Wasserstand geht zurück. Auf der kroatischen Seite wurde in Brod und in der Posavina der Ausnahmezustand aufgehoben, am Montag soll auch wieder in den Schulen unterrichtet werden. Man fürchtet allerdings noch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten oder Seuchen, einerseits durch Mücken, andererseits durch verendete Tiere.

Dörfer unter Wasser

Nach wie vor sehr kritisch ist die Situation im bosnischen Orašje, am Fluss Sava, direkt an der Grenze zu Kroatien und Serbien, wo ganze Dörfer noch unter Wasser stehen, bis zu vier Meter. Tausende Menschen wurden hier evakuiert. Immer wieder kommt es zu schwierigen Situationen, in denen Menschen von der Armee aufgefordert, trotzdem ihre Häuser nicht verlassen wollen.

Manche Leute mussten durch die Fenster aus ihren Häusern gerettet werden. Und noch immer fürchten viele, dass die angeschwemmten Minen aus dem Krieg hochgehen könnten und Menschen verletzen könnten. Bosnien-Herzegowina wurde im Krieg (1992-1995) in vielen Regionen vermint.

Kritik an lokalen Behörden

Die lokalen Behörden werden vor allem dafür kritisiert, dass sie zu spät und zu wenig für die Flutopfer Hilfe geleistet haben. Viele Betroffene haben noch immer keinen Zugang zu Trinkwasser, Strom und medizinischer Versorgung. Der Zivilschutzminister der Föderation Jerko Ivanković-Lijanović wurde mit Kritik konfrontiert, weil er gesagt hatte, dass man keine Reserven der Regierung für die Katastrophenhilfe verwenden müsse, weil ohnehin so viel Nahrungsmittel von Bürgern gespendet würden.

Der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik wurde wiederum dafür kritisiert, dass er das Land verlassen hatte und nach Belgrad gereist war. Auch in Serbien gab es Kritik an den Behörden, dass diese die Leute nicht frühzeitig vorgewarnt hatten, nachdem so heftige Regenfälle doch vorausgesagt wurden.

Für ebenfalls heftige Kritik sorgt der Umstand, dass Hilfslieferungen nicht über die kroatische Grenze nach Bosnien-Herzegowina gelangen können, weil die LKWs und PKWs wegen der Zollformalitäten nicht die Grenze passieren dürften. Die bosnische Regierung wies die Kritik zurück. Für die humanitären Lieferungen muss zwar kein Zoll bezahlt werden, aber dennoch eine genaue Dokumentation der Hilfsgüter erfolgen, was oftmals auch von privaten Initiativen nicht geleistet werden kann.

Aber auch größere Organisationen haben Schwierigkeiten, obwohl der Zoll Tag und Nacht arbeitet. Al Jazeera Balkans berichtete von einem Fall eines slowenischen Spediteurs, der in Gradiška zwölf Stunden wartete und dann umkehrte und über Zvornik nach Bosnien fuhr.

Solidaritätsaktionen für Flutopfer

Im ganzen Land gibt es große Solidaritätsaktionen für die Flutopfer. Schüler und Studenten helfen mit, die Spenden gehen weit über das hinaus, was der Staat zur Verfügung stellt. Die bosnische Telekom hat angekündigt, die zahlreichen Anrufe, die wegen der Notsituation gemacht wurden, nur mit einem Euro (zwei bosnischen Mark) in Rechnung zu stellen. Viele Menschen spenden oder sie fahren direkt in die Gebiete, um aufzuräumen oder Lebensmittel und Wasser zu verteilen. Bürger sammeln in Caféhäusern für die Flutopfer, sie backen Pita (bosnisches Gericht) und bringen sie zu Notleidenden. Es geht im Moment vor allem darum, aufzuräumen, zu desinfizieren, die Tierkadaver wegzuräumen und das Treibholz einzusammeln.

Die Hilfe passiert jenseits der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Volksgruppen und über die Grenzen des seit dem Krieg geteilten Landes hinweg. Viel Hilfe gibt es auch aus dem Ausland, nicht nur aus den EU-Staaten (Österreich spendete eine Million Euro), sondern auch aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, etwa aus Slowenien oder Mazedonien. “Es ist berührend, wenn die Bürger der Republika Srpska den Bürgern der Föderation für deren Hilfe danken”, sagte der Politiker Mirza Ustamujić.

Die bosnische Präsidentschaft forderte die gesamtstaatliche Regierung auf, alle ethnischen Differenzen beiseite zu lassen und den Hilfsprozess zu koordinieren. Das serbische Mitglieder der Präsidentschaft Nebojša Radmanović sprach von dem „Geist des früheren Jugoslawien“.

Rasant ansteigende Preise

Allerdings versuchen Geschäftsleute auch von der Situation zu profitieren. In den überfluteten Gebieten stiegen die Preise rasant an, weshalb die Regierungen beider Landesteile von Bosnien-Herzegowina (Föderation und Republika Srpska) beschlossen haben, die Preise auf dem Niveau von 14. Mai, als die Katastrophe begann, einzufrieren. Sie kündigten an, dass Diebe und Profiteure der Notsituation scharf bestraft werden sollten.

Am Dienstag formierten sich Initiativen, um eine Geberkonferenz für Bosnien-Herzegowina zu organisieren. 21 EU-Staaten engagieren sich zur Zeit, um bei der Überschwemmungskatastrophe, die vor allem Bosnien-Herzegowina betrifft, zu helfen. Neben Helikoptern, Booten, Zelten, Pumpen und Sandsäcken wurden auch Geldleistungen erbracht.

Bosnien-Herzegowina, das wegen der anhaltendenen politischen Krise keinen EU-Kandidatenstatus erhalten hat, kann nicht auf die Mittel des EU-Solidaritätsfonds zugreifen, im Gegensatz zu Serbien, das bereits über den Beitritt mit Brüssel verhandelt. In der EU-Delegation in Sarajevo betont man allerdings, dass bereits jetzt hunderttausende Euro an Sach- und Geldspenden seitens der EU für Bosnien-Herzegowina in der Überschwemmungskrise gegeben wurde. “Langfristig schauen wir, dass zig Millionen Euro hauptsächlich über IPA-Mittel zur Verfügung gestellt werden”, so Sprecher Andy McGuffie zum Standard. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 22.5.2014)