Europa befindet sich außenpolitisch in einem Stresstest. Putin hat offenkundig die Entscheidung getroffen, die politische Ordnung der letzten 25 Jahre - nach dem Zusammenbruch des Kommunismus - aufzukündigen. Er führt in der Ostukraine einen völlig neuartigen Krieg - mit nicht gekennzeichneten Spezialkräften und lokalen Desperados.
Ziel ist die Einbeziehung der Ukraine in seine "Eurasische Union" als autoritäres, antiliberales Gegenmodell zur EU. Moldau ist vielleicht das nächste Ziel, in Bulgarien läuft ebenfalls die Destabilisierungsarbeit. Das EU-Mitglied Ungarn neigt unter Viktor Orbán dem Putin-Modell zu. Die Türkei ist unter Erdogan längst auf dem Weg dorthin.
Gemeinsam ist Putin, Orbán und Erdogan (er hält in Köln eine Wahlrede), dass sie Ansprüche auf alle im Ausland lebenden Russen, Ungarn und Türken erheben. In etlichen Kernländern der EU, auch in Österreich, will die extreme Rechte auch ein autoritäres, antiliberales Modell und arbeitet damit Putin zu, teils ganz offen. Am südlichen Rand des Mittelmeers versinkt der Arabische Frühling in autoritärer Repression und/oder in islamistischer Radikalisierung.
Das Modell eines friedlichen, liberalen, demokratischen Europa steht unter Attacke. Positive Aspekte, wie etwa die Kooperation nach der Flut in Exjugoslawien, sind selten. Unter diesen Vorzeichen findet die Wahl zum EU-Parlament statt. Es geht um die Stabilität eines trotz allem erfolgreichen Modells von Europa. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 23.5.2014)