Urumqi/Peking - Als Reaktion auf den blutigen Anschlag mit 31 Toten hat China eine einjährige Antiterror-Kampagne in der Unruheregion Xinjiang angekündigt. Die Arbeit der Sicherheitskräfte und Soldaten müsse auf das Äußerste ausgeschöpft werden, teilte die Regionalregierung am Freitag auf dem amtlichen Nachrichtenportal Tianshan mit.
"Extreme Spezialmaßnahmen" seien nötig, kündigte die lokale Parteiführung an, ohne Details zu nennen. Nach Ausschreitungen im Jahr 2009 hatte die Regierung für rund ein Jahr das Internet in Xinjiang abgeschaltet.
Selbstmordattentäter
Am Donnerstag hatten Selbstmordattentäter einen Anschlag auf einem Markt in Ürümqi verübt, bei dem 31 Menschen getötet und 94 verletzt worden. Derzeit werde untersucht, ob sie Komplizen gehabt hätten, berichtete die staatliche "Global Times". UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Anschlag, zu dem sich bisher niemand bekannt hat.
Berichterstattung eingeschränkt
Die chinesische Zeitung "Huanqiu Shibao" meldete am Freitag, dass nach möglichen flüchtigen Mittätern gefahndet werde. Chinesische Zeitungen waren angehalten, ausschließlich Berichte der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua zu übernehmen. Der "Huanqiu Shibao"-Bericht wurde nach wenigen Stunden gelöscht und auch Artikel anderer Medien, die auf die Meldung verwiesen hatten, waren nicht mehr zu finden.
Bei dem Anschlag waren die Angreifer mit mehreren Geländewagen auf einen morgendlichen Straßenmarkt gefahren, hatten Menschen überrollt und Sprengsätze gezündet. Zwei Jeeps explodierten.
Berichte über mehrere Fahrzeuge
"Huanqiu Shibao" berichtete unter Hinweis auf Ermittler, dass insgesamt vier Autos beteiligt gewesen seien, von denen zwei ausbrannten. Eines der beiden anderen Fahrzeuge sei bei der sofort eingeleiteten Fahndung gestoppt, berichtete das Blatt, ohne auf möglicherweise festgenommene Insassen einzugehen
Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte, es sei davon auszugehen, dass die Attentäter Unterstützung aus dem Ausland erhalten hätten. Zudem sollen die Attentäter durch im Internet verbreitete religiöse extremistische Propaganda angestachelt worden sein.
Sprengstoff gegen Ziviilisten
Die Attacke in Urumqi unterscheidet sich von anderen blutigen Zwischenfällen in der Region der vergangenen Jahre. Erstmals setzten die Angreifer in großem Umfang Sprengstoff gegen ahnungslose Passanten ein.
Die Behörden haben in den vergangenen Monaten militante Separatisten aus Xinjiang für eine ganze Reihe von Angriffen mit Bomben und Messern verantwortlich gemacht. China-Experte Michael Clarke vermutet, dass die „Islamische Partei Turkestans (TIP) hinter den jüngsten Anschlägen stecken könnte.
Die Gruppe gilt als Nachfolgerin der von den USA und UNO als Terrororganisation eingestuften "Ostturkestanischen Muslimischen Bewegung" (ETIM), die seit dem Tod ihres Anführers Hasan Mahsun bei einer Operation des pakistanischen Militärs in der Provinz Nord-Waziristan im Oktober 2003 von der Bildfläche verschwunden ist.
Basen in Pakistan
Die TIP trat erstmals 2005 in die Öffentlichkeit. Die Organisation soll über 200 bis 400 Kämpfer verfügen und betreibt Stützpunkte in der Nähe der pakistanischen Stadt Mir Ali. Verbindungen zu den pakistanischen Taliban und der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ (IMU) sind dokumentiert.
Seit Anfang der 90er Jahre betreibt China in der abgelegenen Westprovinz ein umfangreiches Modernisierungsprogramm, in dessen Rahmen Milliarden in Infrastrukturprojekte fließen. Es kommt aber immer wieder zu Protesten gegen die Zuwanderung von Han-Chinesen, die mit Polizeigewalt unterdrückt werden.
Proteste gegen Kopftuchverbot
Am 20. Mai sollen einem Bericht der US-finanzierten „Radio Free Asia“ zufolge in der Stadt Alaqugha bei Aksu mehrere Menschen bei einem Polizeieinsatz gegen Demonstranten ums Leben gekommen sein. Der Protestierenden verlangten die Freilassung mehrerer Frauen, die festgenommen worden waren, weil sie islamische Kopfbedeckungen und Kleider trugen.
Als sie den Direktor einer Schule und einen Regierungsbeamten angriffen und die Schule mit Steinen bewarfen, eröffnete die Polizei laut Augenzeugen, mit denen "Radio Free Asia“ sprach, das Feuer.
BBC-Korrespondent John Sudworth, der sich in Urumqi aufhält, berichtet, dass am Tag nach den Anschlägen rund um den Tatort zahlreiche Polizeipatrouillen zu sehen waren. Manche Geschäfte hatten wieder geöffnet.
Immer wieder Anschläge
Ende April wurden bei einem Angriff auf dem Bahnhof von Urumqi drei Menschen getötet und 79 verletzt. Im März kamen bei einem Angriff auf dem Bahnhof in der im Südwesten Chinas gelegene Stadt Kunming 29 Menschen ums Leben. (red/Reuters, 23.5.2014)