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Gute Aussichten. Der Immobilienmarkt wird sich in den kommenden Jahrzehnten neu positionieren müssen.

Foto: Brooke Fasani Auchincloss / Corbis

Wien - Letztes Jahr noch war die Greet Vienna ein junges Pflänzchen, das sich als Nachfolge der 2012 gescheiterten Gewerbeimmobilienmesse Real Vienna zu versuchen gedachte, wiewohl der Start ein wenig verhalten war. Heuer bereits, bei ihrem zweiten Aufkeimen im Palais Niederösterreich in der Wiener Innenstadt, wurde die Messe tatsächlich jenem Anspruch gerecht, der sich hinter dem Akronym "Greet" verbirgt: Global Real Estate and Economy-Talks. Diskutiert wurde eineinhalb Tage lang, und das sogar sehr intensiv.

"Sind auf dem richtigen Weg"

"Ich bin mit dem diesjährigen Resultat sehr zufrieden", erklärte Initiatorin und Leiterin Sylvia Foissy. "Wir hatten mehr Teilnehmer, größere Delegationen aus dem Ausland, mehr Aussteller und auch mehr Sponsoren. Natürlich ist eine Marktdurchdringung in dieser Branche keine einfache Sache, aber ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg." Insgesamt wurden an die 400 Besucher gezählt. Ein Großteil davon kam aus dem CEE- und SEE-Raum.

Die einzelnen Diskussionen befassten sich schwerpunktmäßig mit dem Markt in Polen, Serbien und der Tschechischen Republik, wobei für Deutschland der CEE-Raum "eigentlich nur aus Polen und Prag besteht", wie es Michael P. Reinberg von der Reinberg & Partner Immobilienberatung GmbH auf den Punkt brachte. Die anderen Märkte wurden - insbesondere in einer ebenso pointierten und beinahe schon kabarettreif eingedampften Keynote-Speech von Erhard Busek, dem Vorstandsvorsitzenden des Institute for the Danube Region and Central Europe (IDM) - im Laufe des Montags und Dienstags immer wieder tangiert, wobei die größte Sorge den Ländern Albanien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina galt.

Sorgenkind Slowenien

Auch Slowenien bezeichnete der IDM-Chef und ehemalige ÖVP-Vizekanzler in seiner Rede als Sorgenkind, habe es der einst fortschrittliche Staat in den letzten Jahren doch verabsäumt, sich internationalen Investoren zu öffnen, weswegen der einstige Pionier-EU-Mitgliedsstaat auf dem Balkan heute nahezu an letzter Stelle steht. Den Anschluss an das wirtschaftliche Europa habe "Slowenien, dem es geglückt ist, rasch so zu tun, als wäre es nie Teil von Jugoslawien gewesen", definitiv verpasst, so Busek.

Und dann war da noch Russland. Die Wogen gingen hoch. Die einen taten so, als herrsche in Russland trotz Ukraine-Krise und lautstarker kritischer Stimmen aus Europa "business as usual, denn Business ist Business, und Politik ist Politik" (Ilja Weselow, Direktor der Agentur für Regionalentwicklung für die Region Kaluga), die anderen gemahnten zu mehr Vorsicht im Dialog zwischen Privatwirtschaft und Politik: "Das westliche Denken hat seine Berechtigung, denn es geht nicht nur um Boden, Öl und Gas", so German Moyzhes, Managing Director Deutschland der russischen Avers Group, "sondern vor allem auch um den Menschen."

Kaputte Russland-Beziehung

Wie solle man in Zeiten der Krise und einer mittlerweile stark unterkühlten Gesprächskultur zwischen diesem Ost und West verfahren? "Das ist die große Frage", sagte Anna Zeitlinger, Partnerin in der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger+Partner, zuständig für RAK, Region Moskau. "Die nahezu katastrophale Stimmung der ersten Monate der Russland-Ukraine-Krise scheint sich zwar langsam wieder zu legen, aber die Freundlichkeit und Offenheit, die einst zwischen Österreich und Russland herrschte, ist vorerst wohl beeinträchtigt."

Die guten Rahmenbedingungen, die Österreich lange Zeit promotet habe, so Zeitlinger, seien durch Vorurteile, feindliche Einstellungen und eine zunehmende Behinderung in Form von Auflagen und Kontrollen kaputtgemacht worden. Sanktionen zu verhängen wirke sich auf eine bilaterale Beziehung eben nicht nur positiv aus. "Österreich hat immer behauptet, ein neutrales Land zu sein. Diese Position hat zu wackeln angefangen. Das ist schmerzvoll." Von einem Mitverschulden Russlands war keine Rede.

"Ja, Russland hat bei der heurigen Greet wirklich eine Sonderrolle eingenommen", meint auch Veranstalterin Foissy, die sich vor einigen Monaten auch noch um eine Teilnahme der Ukraine bemüht hatte. Die jüngere Geschichte setzte die Prioritäten anders. "Für uns als Veranstalter ist so ein politischer Konflikt in unseren Zielmärkten nie gut. Ich hoffe, dass sich das bald legen wird."

"Aufruf der Wirtschaft"

Das ist auch der Appell Zeitlingers: "Ich erwarte mir einen Aufruf der Wirtschaft beider Länder, sich gegenüber der Politik zu positionieren und proaktiv wieder in Beziehung zu treten. Jetzt liegt es an der Wirtschaft, an die Politik entsprechende Signale zu senden." Ob es tatsächlich gelingen wird, die politische Situation mit immobilienwirtschaftlichen Interessen zu übertünchen, wird sich in den kommenden Monaten weisen. Die im Herbst bevorstehende Expo Real in München (6. bis 8. Oktober) wird eine erste Einschätzung der Lage liefern.

Ansonsten drehten sich die Diskussionen auf den beiden Podien vor allem um das Thema Nachhaltigkeit, wobei diese von vielen unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet wurde. Peter Oberlechner, Partner bei Wolf Theiss, sieht darin einen Umgang mit den immer kürzer werdenden Mietzyklen, denn "die Mieter kommen und gehen schneller als noch vor fünf Jahren. Das ist eine Realität, der wir uns stellen müssen. Neue Ideen müssen her."

Das nachhaltige Quartier

Anders als in der Vergangenheit ist Nachhaltigkeit heute vor allem eine Frage des Netzwerks. So zumindest sehen es Wolfgang Scheibenpflug von der Flughafen Wien AG und Andreas Köttl, Value One Holding. Beide setzen sich derzeit dafür ein, nicht nur ein einzelnes Gebäude zertifizieren zu lassen, sondern gleich ein ganzes Quartier - der eine die Vienna Airport City, der andere das Viertel Zwei. Quartierszertifizierung nennt sich das junge Phänomen, das an diesen beiden Stadtentwicklungsprojekten erstmals in Österreich angewandt werden soll.

"Für mich ist Quartierszertifizierung die Zukunft grünen Bauens", sagt Marc-Guido Höhne, Geschäftsführer Drees & Sommer Österreich, im Gespräch mit dem STANDARD. "Doch wir sind erst am Anfang. In Deutschland wurde erst eine Handvoll Projekte zertifiziert wie etwa der Potsdamer Platz oder das Domkarree in Berlin. In Österreich noch gar nicht." Die größte Schwierigkeit sei, dass die Quartierszertifizierung Zeit kostet. Anders als bei einzelnen Gebäuden, so Höhne, könne so ein Zertifikat erst ausgestellt werden, sobald mindestens 75 Prozent des Ausbaus erreicht sind. Für Projektmarketing und Verwertung ist das alles andere als förderlich.

Genesen statt shoppen

Am Ende der beiden Konferenztage widmete sich die Greet Vienna schließlich einem Thema, das im Zuge der demokratischen Entwicklung in Europa immer wichtiger wird - den Gesundheits- und Sozialimmobilien. "Vor der Krise galt der Schwerpunkt noch den Shoppingcentern", erinnert sich Sylvia Foissy, "doch nun merken wir, dass immer mehr Anfragen aus dem Segment der Spezialimmobilien kommen. Darauf müssen wir reagieren."

Waren es bei der letzten Expo Real in München die Versicherungen und Pensionskassen gewesen, die erstmals auf breiter Ebene den Ton für die kommenden Jahre vorgegeben hatten, indem sie verstärkt als Investoren für Krankenhäuser und Pflegewohnheime in die Bresche gesprungen waren, kamen nun die Planer und Betreiber zu Wort. Tenor: In vielen Regionen geht die Hotelnachfrage stark zurück, und nachdem sich Hotels qua ihre Struktur und Barrierefreiheit dazu anbieten, würden diese immer häufiger zu Kliniken und Pflegeheimen umgebaut. "Hotel läuft nicht immer, aber krank und alt werden wir alle", so Foissy.

Kein Entkommen

Die Wirtschaftskrise 2008 scheint der Immobilienwirtschaft nicht viel angetan zu haben. Allzu rasch kehrten die Projektentwickler und Investoren nach einer kurzen Zeit der finanziellen Geknicktheit wieder zu ihren Alltagsagenden zurück. Auch die politischen Zustände im Osten Europas scheinen der Immobilienwelt nicht allzu viel anzuhaben, wenn man einigen eingeflogenen Rednern Glauben schenkt. Doch vor den sozialen Bedürfnissen der alternden Gesellschaft gibt es kein Entkommen. Und so kehrt die Immobilienwirtschaft endlich jene Facette hervor, die sie bisher niemals für sich zu beanspruchen wagte: Sie wird sozial. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 24.5.2014)