Eh. Österreich, Land der Dichter und Denker. Da wird poetisiert statt politisiert, dass es reimtechnisch nur so kracht auf Österreichs Plakatflächen. Das Denken haben die Dichter dabei allerdings beim Portier der Parteizentralen zwischengelagert. Vermutlich. Vielleicht ist Denken aber sowieso überbewertet. Banalvers-Schmiederanten waren bisher hauptberuflich bei der FPÖ vollbeschäftigt. Ihnen verdanken wir auch bei der aktuellen EU-Wahlplakatschwemme griffige Reime wie "Türkei nicht dabei", "Österreich denkt um, zu viel EU ist dumm" oder "Wir verstehen eure Wut, zu viel EU tut niemand gut". Nun haben – so viel Reim muss bitte sein – die blauen Proleten von roten Poeten holpertatschige Konkurrenz bekommen.

"Sozial statt egal": Für diese lyrische Drei-Wort-Wahlkampf-Kernaussage muss jemand wirklich sehr, sehr lange nachgedacht haben, weil Europa ja einen Freund braucht. Einen übrigens nicht mit volksweisheitlicher Sonne im Herzen und Zwiebeln im Bauch – denn hätte er das, dann könnte er gut scherzen, und Luft hätt' er auch. Sondern dieser Freund trägt Österreich im Herzen und Europa im Kopf. Wobei die den Herzen innewohnende Sonne und das ebendort residierende Österreich sowieso eine lange und wechselvolle gemeinsame Geschichte haben, die damit begann, dass im habsburgischen Reich die Sonne nie unterging und nach einem ganz normalen Tag-Nacht-Rhythmus schließlich abrupt und per Verkehrsunfall ausgerechnet in Kärnten vom Himmel fiel. Aber das ist eine andere Geschichte.

Diese Geschichte handelt vom europäischen Stimmenwettbewerb vulgo Politik der Gefühle. Zum Beispiel: Weil er Österreich liebt, will er (schwarz) auch weiter für ein besseres Europa arbeiten.

Nicht nur die gedichteten, auch die prosaischen Botschaften liefern leider keine Indizien für intellektuelle Hochbegabung. Auch wenn es ein europaweites Leben vor dem Schnitzel geben sollte. Da lächeln zwei Damen verheißungsvoll auf dem Plakatständer: "Dein Europa kann mehr." Mehr als was? Mehr als Grün? Und mehr als welches eigentlich? Mehr als das der beiden Ladys? Fragen über Fragen. (Andrea Schurian, derStandard.at, 23.5.2014)