Auch Schattenwirtschaft ist Wirtschaft: Nach diesem Motto zählen selbst Geschäfte von Drogenhändlern, Prostitution und Zigarettenschmugglern zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Grund sind neue Vorgaben der EU bei der Berechnung des BIP, die ab September nun auch in Italien angewandt werden. In Rom tobt diesbezüglich eine scharfe politische Debatte.

Ab September wird sich nun auch Italiens Statistikamt Istat an neue Eurostat-Regeln anpassen und illegale Geschäfte in die Berechnungen des BIP aufnehmen. Das wird modellmäßig berechnet, weil es für diese Kategorie von Aktivitäten keine Basisstatistiken oder Erhebungen gibt, berichten italienische Medien. Zu diesem Zeitpunkt wird das System zur Berechnung des BIP auf das neue Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (ESVG) umgestellt, bisher galt die Version von 1995.

In Österreich wird übrigens seit Jahren Drogenhandel, Prostitution etc. BIP-wirksam: Die Statistik Austria rechnet bereits seit 2009 zugeschätzte Daten zur "Schattenwirtschaft" bzw. illegalen Produktion ins BIP ein. Für das Jahr 2012 betrug die Zuschätzung zum BIP für illegale Produktion rund 890 Mio. Euro, das waren circa 0,3 Prozent des BIP.

Das BIP, das den Wert aller innerhalb eines Jahres hergestellten Waren und Dienstleistungen misst, werde so im Vergleich zur bisherigen Berechnungsmethode zulegen, heißt es in Rom. "Die EU-Richtlinien über die BIP-Berechnung sind wieder einmal ein Beispiel eines Europas, das lediglich Wirtschaftszahlen und nicht die Werte berücksichtigt", kritisierte der Mitte-Links-Parlamentarier Edoardo Patriarca.

Auch im konservativen Mitte-Rechts-Lager herrscht Empörung. "Ich begreife, dass man bei der BIP-Berechnung realistisch vorgehen muss, aber es gibt Grenzen. Bald werden wir EZB-Präsident Mario Draghi mit Salvatore Riina (langjährige Nummer eins der Mafia, Anm.) ersetzen", kommentierte Senator Maurizio Gasparri von der konservativen Oppositionspartei Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi.

Die Schattenwirtschaft in Italien macht laut Schätzungen 21,1 Prozent des BIP aus. Unter Schattenwirtschaft verstehen die Experten vor allem Schwarzarbeit, aber auch andere kriminelle Aktivitäten. (APA, 23.5.2014)