Insgesamt 14 Stationen in der Villacher Innenstadt erinnern an die Opfer der Judenverfolgung. "Sie waren Bürger unserer Stadt, bevor sie vertrieben, verfolgt, deportiert und ermordet wurden", sagt Kurator und Historiker Werner Koroschitz.

Foto: Gerhard Maurer

Villach - "Der Mensch muss vor allem eines begreifen, dass er ein Mensch ist. Welcher Religion er angehört, ist nicht so wichtig." David Glesinger wurde 1937 in Villach am Hans-Gasser-Platz 2 als Sohn des jüdischen Rechtsanwalts Marcell Glesinger geboren, erzählt er im Gespräch mit dem Standard.

Der erfolgreiche Anwalt war immer wieder Opfer antisemitischer Attacken gewesen. Gleich nach dem Anschluss musste er seine Kanzlei einem Nazi überlassen. Entschädigung gab es keine. Der Familie gelang die Flucht nach Israel, heimisch wurde sie dort nie.

David Glesinger ist nach Villach zurückgekommen anläßlich der Eröffnung einer berührenden Ausstellung über den Umgang der Villacher Bevölkerung mit ihren ansässigen Juden während der Nazi-Zeit. "Im besten Einvernehmen" nennt sich die Schau, die von einem Forschungsprojekt des Historikers Werner Koroschitz begleitet ist, das auch in Buchform im Heyn-Verlag vorliegt.

Novemberprogrome

Bewegt schildert David Glesinger, wie sein Vater, ein im Ersten Weltkrieg hochdekorierter kaiserlicher Offizier, am Verlust seiner Villacher Heimat litt. Wie er als Nachtwächter in Israel seiner Familie nur noch ein kümmerliches Leben bieten konnte.

Auch Gerti Schaier aus Triest erinnert sich noch an die Novemberprogrome 1938 in Villach: "Die Nazis sind einfach eingedrungen und haben alles aus dem Fenster geworfen, sogar ein Klavier." Die Nachbarn hätten grinsend zugeschaut. "Sogar ins Futter unseres Hundes und der Katze haben sie Glasscherben hineingemischt. Damit die jüdischen Tiere krepieren."

Schon lange vor dem Anschluss habe es in Villach viele illegale Nazis gegeben. "Überall sind sie mit ihren weißen Stutzen herum marschiert." Die betagte Dame stammt aus der Familie Fischbach, die in Villach ein gutgehendes Geschäft besass. Auch deren Hab und Gut wurde während der Pogrome vom NS-Pöbel kurz und klein geschlagen.

Vergessene Verbrechen

Dennoch kommt Gerti Schaier immer wieder nach Villach. "Es ist gut, dass es jetzt diese Ausstellung gibt, die an das Leid der Villacher Juden und die Villacher an ihre vergessenen Verbrechen erinnern soll." In 14 Stationen in der Innenstadt wurden vor den ehemals jüdischen Geschäften und Häusern Installationen angebracht mit Informationen über das Schicksal der verjagten jüdischen Familien. "Sie waren Bürger unserer Stadt bevor sie vertrieben, verfolgt, deportiert und ermordet wurden", erläutert Ausstellungskurator  Koroschitz.

Projektträger sind die Stadt Vilach und der Villacher Verein Erinnern um Hans Haider, der schon seit 1994 akribisch die lange verdrängte Nazivergangenheit ins Bewusstsein der Kärntner zurückholt. Immer wieder – auch heute noch – wird das schon vor Jahren in Villach errichtete Denkmal der Namen geschändet.

Umweg des Erinnerns

"Es ist wichtig, Gedenkorte ins Gedächtnis zu rücken. So können wir über den Umweg des Erinnerns zu uns selbst finden", sagt Haider. "Was sie uns angetan haben war furchtbar. Aber dass sie uns unsere Heimat genommen haben, ist unverzeihbar", meinte Regine Spierer, deren Familie ebenfalls verfolgt wurde, zu Koroschitz: "Ich bin Jüdin. Das ist meine Religion. Aber ich bin hier geboren. Kärnten ist meine Heimat." (Elisabeth Steiner, Der Standard, 26.5.2014)