Wien - Das umstrittene Klagsrecht für Investoren vor einem Schiedsgericht, das das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) vorsieht, ist angesichts der guten Qualität der Gerichte auf beiden Seiten des Atlantiks nicht unbedingt notwendig. Aber wenn es käme, dann würde es auch keinen Schaden anrichten. Das war die Botschaft des Völkerrechtsexperten August Reinisch, Leiter der Abteilung für Völkerrecht und Internationale Beziehungen, bei einem Jus-Alumni-Frühstück in den Räumen des Standard.

Reinisch beschrieb vor Jus-Absolventen die Grundsätze des geplanten Investor-State Dispute Settlement (ISDS), das bisher vor allem bei Direktinvestitionen in Entwicklungsländern genutzt worden ist. Neben der Nichtdiskriminierung ausländischer Investoren soll ihnen auch ein "Fair and Equitable Treatment Standard" zugesagt werden - laut Reinisch eine schwammige Formulierung, die im Extremfall sehr weit ausgelegt werden könne.

"Viel Spielraum für Staaten"

Allerdings habe die bisherige Praxis etwa in der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta gezeigt, dass Schiedsgerichte Klagen gegen legitime politische Entscheidungen meist zurückgewiesen haben - und nur bei einer protektionistischen Diskriminierung gegen die Regierung entschieden. "Den Staaten wird von den Schiedsgerichten ein relativ großer Spielraum gewährt", betont Reinisch, der sich neben internationalen Organisationen viel mit internationalem Wirtschaftsrecht beschäftigt.

Auch die von Kritikern oft geäußerte Sorge, dass Konzerne sich allein mit der Drohung teurer Klagen Vorteile verschaffen könnten, hält Reinisch für übertrieben. Schließlich könnten Schiedsgerichte offensichtlich frivole Klagen rasch zurückweisen, und es gebe auch die Möglichkeit, in solchen Fällen dem Kläger die Verfahrenskosten aufzubürden.

Auch das Problem der Geheimhaltung sei weitaus weniger groß als oft behauptet: Es liege am Schiedsgericht und den Parteien, was veröffentlich wird. Oft seien es die Regierungen selbst, die Verfahren und Urteile unter Verschluss halten wollen. Und der Trend bei Schiedsgerichten gehe in Richtung Transparenz durch Veröffentlichung aller wichtigen Texte im Internet; auch NGOs würden als sogenannte "Amicus Curiae" immer öfter eingebunden werden.

Allerdings glaubt Reinisch, dass das Klagsrecht für Unternehmen nicht der wichtigste Teil des TTIP sei; die meisten EU-Staaten seien bisher überhaupt ohne Investitionsschutzabkommen mit den USA gut ausgekommen. Das ISDS sei für Konzerne vor allem "ein Sicherheitsnetz". (Eric Frey, DER STANDARD, 26.5.2014)