"Dr. House" zu Gast im Hörsaal 1 am AKH,...

Frédéric Paul René Tömböl

...die Lacher hatte aber sein Kontrahent auf seiner Seite.

Frédéric Paul René Tömböl

Mit Medizinern Ärzteserien zu schauen, ist mühsam: Der im TV gezeigte Krankenhausalltag mit seinen dramatische Wendungen und abenteuerlichen Diagnosen entspricht meist so gar nicht der Realität.

Doch dass Fernsehen mit Medizinern auch amüsant sein kann, beweist Wolfgang Graninger, Infektiologe und Leiter der klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin am AKH. "Graninger vs. House" heißt eine Veranstaltungsreihe der Österreichischen Medizinerunion, in der Graninger die Fernsehserie "Dr. House" auf ihren Wahrheitsgehalt abklopft.

Live-Übertragung

Obwohl es Freitag Nachmittag ist und die Sonne vom Himmel strahlt, ist der Hörsaal 1 im AKH mit seinen 480 Sitzplätzen zum Bersten voll. Selbst auf den Stufen hat das Publikum Platz genommen. Wer hier keinen Platz findet, dem stehen noch zwei weitere Hörsäle zur Verfügung, in die Graningers Abrechnung mit House übertragen wurde.

Ein Medizinstudent in der zweiten Reihe erklärt den Andrang: "Graninger ist eine Kultfigur für Medizinstudenten, weil er trockene Inhalte humorvoll vermitteln kann." Deshalb ist auch er heute in den stickigen Hörsaal gekommen.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung wird klar, welcher der beiden Kontrahenten die Lacher auf seiner Seite hat: "Wenn das so weitergeht, brauchen wir ein neues Hörsaalzentrum", kommentiert Graninger den vollen Hörsaal - und verspricht verheißungsvoll: "Wir werden Dr. House heute bei seinen Überlegungen und Lügen ertappen."

Dann wird das Licht gedimmt. "Dr. House" startet. Während das Publikum gebannt zuschaut, schüttelt Graninger immer wieder den Kopf oder murmelt in sich hinein. Nach wenigen Minuten unterbricht er die Folge. Das Licht geht wieder an.

Weißer Mantel als Modestatement

Nun beginnen die Anwesenden, wild durcheinander zu reden. Wer weiß - vielleicht hat einer von ihnen ja schon die richtige Diagnose parat? Die Situation: Ein Mann bekommt nach dem Verzehr eines lebenden Oktopus Atembeschwerden und Hautausschlag. Doch beim Patienten ist Graninger noch gar nicht angekommen. Erst kritisiert er noch die Oufits der TV-Ärzte: "Ich würde doch dazu raten, den weißen Mantel zuzumachen."

Dann läuft die Serie weiter. Die ersten TV-Diagnosen stehen bald im Raum: Das House-Team tippte erst auf eine Borsäurevergiftung, dann auf Meningitis. Kopfschütteln von Graninger: "Da wird einfach so ein Wort hingeworfen nach dem Motto: Ich bin gescheit", sagt er verächtlich. House rätselt weiter, wird aber von Graninger regelmäßig unterbrochen.

"Vom Doofarzt zum Primar"

Der Infektiologe hat nämlich Powerpoint-Folien vorbereitet, mit denen er jede der Diagnosen von House entkräftet. Das gefällt den Medizinstudenten. Das House-Team arbeitet unterdessen weiter: "Jetzt wird der lumbal punktiert - aber doch nicht so!", ruft Graninger entrüstet.

Erst als der Patient stirbt, kommt House der richtigen Diagnose auf die Spur: Die Autoimmunerkrankung Muckle-Wells-Syndrom war für die Symptome, darunter Schwerhörigkeit, Blindheit und Fieberschübe, verantwortlich. "Wenn Sie das diagnostizieren, dann steigen Sie in der Hierarchie vom Doofarzt zum Primar innerhalb einer Sekunde auf", verspricht Graninger den Anwesenden.

"Reiner Zufall"

Auch an persönlicher Kritik am legendären TV-Arzt spart Graninger nicht: Er sei eine "Grätzn" und "nicht ganz dicht" meint er, und: "Stellen Sie sich vor, alle Primarii hätten sein Naturell." Dass House am Ende doch auf die richtige Diagnose gekommen ist, sei "reiner Zufall".

Prinzipiell gilt "House" unter Experten als sehr gut recherchiert - und hat erst unlängst einem deutschen Patienten das Leben gerettet. Sein Arzt erinnerte sich an einen ähnlichen Fall aus der TV-Serie - und stellte dann die richtige Diagnose. Dass auch junge Studierende vom Fernseharzt lernen können, stellt auch Graninger nicht in Abrede: "Wenn Sie sich alle Folgen anschauen und immer diese grauslichen Ausbrüche seines Temperaments abziehen, dann kommen ganz gescheite Sachen raus." (Franziska Zoidl, derStandard.at, 26.5.2014)