Die Johammer e-Trophy ist eigentlich eine Challenge. Denn vom Start, letzten Samstag, in Heiligenblut bis zum Ziel in München sind es fast 260 Kilometer. Das Renngerät ist der J1.200. J für Johammer, 1 für die erste Generation, und 200 für die Reichweite in Kilometern. Da spießt sich also was. Vor allem, wenn man wie viele Kritiker voraussetzt, dass die Reichweite ohnedies geschönt ist und sie ein normaler Mensch nie dafährt.

der standard/gluschitsch

Trotzdem stellen sich 15 Männer der Aufgabe. Darunter die ersten drei Käufer eines Johammer und mit Johannes Hammerschmid auch der Chef selbst. Und gleich vorweg: Er wird es sein, der als erster an die Steckdose muss –auch wenn es sich für ihn bis ins Ziel ausgehen könnte.

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Aber "ich brauch den Nervenkitzel nicht, dass ich zwei Kilometer vor dem Ziel mit leeren Akkus dastehe", sagt er während der Mittagspause. Vorne im Garten des Gasthauses laben sich die Fahrer, hinten im Hof laden zwei Johammer.

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Doch zurück an den Start. Ein bisserl ein Trick ist bei der e-Trophy schon dabei. Denn Heiligenblut liegt deutlich höher als München. Und auch wenn es erst über den Großglockner ein schönes Stück bergauf geht, geht es auf der anderen Seite auch wieder ganz gscheit runter. Und da lädt der Johammer, wenn man ihn lässt.

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Indem man den Gasgriff in die neutrale Position bringt und ihn dann noch ein wenig nach vorne weiterdreht, stellt man die Stärke ein, mit der das E-Motorrad rekuperiert. Eine Aufgabe ist also, möglichst Ressourcen schonend auf den Großglockner zu kommen und dann ohne mechanische Bremse auf der anderen Seite wieder runter.

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Die andere Aufgabe ist das Lenken. Das funktioniert auf einem Johammer nämlich auch nicht wie gewohnt. Die zwei Fühler, die als Lenkstangen aus dem Rumpf stehen, drehen sich nämlich nicht, wie man es gewohnt ist, um eine gemeinsame Achse, sondern jeder Holm hat seine eigene. Das ist am Anfang arg entrisch – vor allem in Kombination mit der Achsschenkellenkung. Es dauert ein paar Kurven lang, bis man das gewohnt ist. Aber dann geht es problemlos, wenn man nicht am Lenker klammert.

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Auf der salzburgischen Seite des Glockners ist die Verwunderung dann doch groß: Die Akkus meines Johammer sind nicht voll geworden. Mit einer Restreichweite von genau 200 Kilometer bin ich durch den Startbogen, jetzt zeigt er 179 Kilometer an. Viellicht meint er aber, ich komme 1179 Kilometer weit, wenn ich weiter so bergab fahre.

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Vom Fuße des Großglockners geht es auf Landstraßen weiter bis nach München. Sanft Gas geben, der Luft wenig Widerstand bieten, ist die Devise. Also lieg ich auf dem Johammer wie einst ein Hörer am Telefon, wenn sich wer erinnert. Andere machen das auch. Aber nicht die vollen vier Stunden, die die zweite Etappe dauert. Das Kauern ist dann doch schmerzhaft, krampfhaft und unästhetisch. Aber es hilft.

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Genauso, wie die Finger von den Bremshebeln zu lassen. Ich habe auf der ganzen Strecke vielleicht 10 Mal gebremst – am öftesten in München –  und dabei jeweils aus maximal 10 km/h, sonst immer rekuperiert, oder noch besser, vorher gar nicht so viel beschleunigt. So ist man zwar nicht sauschnell, aber halt recht effizient unterwegs.

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Nach 258,7 Kilometern in München angekommen, hat mein Johammer noch eine Restreichweite von 97 Kilometern. Der Sieger der e-Trophy kommt sogar noch über 100 Kilometer weit. Er hat aber nicht das Kipferl auf dem E-Motorrad gemacht. "Ich habe, wann immer es ging, den Windschatten ausgenutzt. So habe ich für die Strecke am wenigsten Energie von allen Teilnehmern gebraucht", sagt er nach der Siegerehrung. Johannes Hammerschmid macht sich aus dieser Leistung nun natürlich ein Fest und rechnet die verbrauchte Energie in Sprit um. Am Ende kommt für ihn heraus, dass die besten Teilnehmer die Etappe mit 0,7 Liter Super zurückgelegt haben.

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Die Rechnerei wäre aber gar nicht mehr nötig gewesen. Das, was Hammerschmid wirklich schaffen wollte, hat er erreicht. Und das war in erster Linie gar nicht das Erreichen Münchens, sondern viel mehr Aufmerksamkeit. 15 Johammer, aufgefadelt hintereinander fahrend, da schauen dann doch einige.

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Wie die deutschen Bus-Touristen, die wir oben am Großglockner treffen, oder der Typ, der statt in eine Tankstelle in eine Mauer einbiegt, weil er uns hinterherschaut. In München, vor dem Eingang des Verkehrsmuseums, wo der Zieleinlauf ist, passt das Publikum natürlich auch perfekt. "260 Kilometer? Aha, Boah. Was kosts?" Und wenn man dann sagt "25.000 Euro", dann werden die Gesichter lang, bevor ein "Innovationen sind halt teuer, gell?" folgt. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 26.5.2014)

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Johammer

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Johammer J1.200

Motor: permanent erregter Synchronmotor
Leistung: 11 kW
Top-Speed: 120 km/h (elektronisch abgeregelt)
Rahmen: Alu-Zentralrahmen
Aufhängung vorne: Alu-Zweiarmschwinge
Aufhängung hinten: Alu-Einarmschwinge, mit integrierter Antriebseinheit
Dämpfung: zentrale Federbeine
Bremse vorne und hinten: 300 mm Einscheiben-Bremsen mit Doppelkolben
Akkukapazität: 12,7 kWh
Getriebe: einstufig
Akku: Li-Ionen
Ladedauer 80 %: 1,5 – 3,5 h
Gesamtgewicht: 178 kg
Reichweite: 200 km (Herstellerangabe)
Preis: 25.000 Euro
Führerschein: A1

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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