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Vom Chaos zur Ordnung: Duftstoffe helfen Ameisen dabei, den Weg zum Futter (hier: ein Tropfen Honig) zu optimieren.

Foto: EPA

Potsdam/Wien - Eine einzelne Ameise mag nicht besonders schlau sein. Verblüffend ist aber, was die sozialen Insekten im Kollektiv an Intelligenz aufbringen. Man denke nur an die einigermaßen perfekt organisierte Futtersuche, bei der die Tiere in kürzester Zeit Nahrungsquellen aufspüren und auf schnellstem Weg in den Bau schaffen.

Diese höchstraffinierte Form der Futtersuche interessiert nicht nur Myrmekologen, wie die Ameisenforscher wissenschaftlich genannt werden. Auch Komplexitätsforscher wie Jürgen Kurths, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Abteilung "Transdisziplinäre Konzepte und Methoden" leitet, untersuchen den hocheffizienten Vorgang, um daraus allgemeinere Erkenntnisse abzuleiten.

Ein Team um Kurths und Lixiang Li fütterte seine Rechner mit allen verfügbaren Daten zur Nahrungssuche der Ameisen und identifizierte auf diese Weise drei Phasen des komplexen Prozesses. Zunächst durchstreifen Späherameisen auf eher chaotische Weise die Gegend rund um die Kolonie. Sind sie erschöpft, bewegen sie sich zurück ins Nest.

Wenn sie allerdings auf eine mögliche Futterquelle stoßen, dann nehmen sie ein kleines Stück der Nahrung mit und hinterlassen dabei dank eines speziellen Pheromons eine schwache Duftspur. Die anderen Ameisen orientieren sich daran, aber am Beginn noch auf recht ineffiziente Weise. Sie hinterlassen bei ihren Wegen zum Futter aber ebenfalls Duftstoffe.

Ordnung im Chaos

Auf diese Weise kommt dann plötzlich Ordnung ins Chaos: Da die Pheromone in der Luft diffundieren, ist ihre Konzentration dort am höchsten, wo der Weg besonders kurz ist. Die Ameisen richten sich nach den Duftstoffen, nehmen immer kürzere Wege, was die Duftspur am kürzesten Weg dank Selbstorganisation verstärkt.

Zudem identifizierten die Forscher im Fachblatt "PNAS" noch einen weiteren Faktor. Erfahrene Ameisen tragen wesentlich zum Erfolg bei: Sie kennen sich in der näheren Nestumgebung aus, während junge Ameisen erst lernen.

"Wir denken, dass diese bis jetzt unterschätzten Strategien das Verhalten der Ameisen bei der Futtersuche bestimmten", sagt Hauptautor Lixiang Li, der nicht nur am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung arbeitet, sondern auch am Zentrum für Informationssicherheit der Universität Peking. Diese Affiliation wiederum deutet darauf hin, dass die Forscher Anwendungen ihrer Ergebnisse auch für menschliche Verhaltensmuster sehen: von Diensten im Internet bis hin zu intelligenten Transportsystemen. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 27.5.2014)