In Paris jagte am Montag eine Krisensitzung von Staatspräsident François Hollande und Manuel Valls, dem Premierminister der sozialistischen Regierung, die andere. Der in diesem Ausmaß eklatante Wahlsieg des rechtsextremen Front National unter Parteichefin Marine Le Pen mit 25 Prozent Stimmenanteil hatte selbst gestandene Pessimisten überrascht. Das Debakel der Sozialisten, die von bereits schwachen 16,7 Prozent auf nicht einmal mehr 14 Prozent gefallen sind, fiel umso mehr auf, als auch die Konservativen auf Platz zwei ordentlich Federn lassen mussten.

Für die europäische Ebene ist gerade dieses französische Wahlergebnis vom Sonntag am folgenreichsten - als der Front National mit seinen künftig vermutlich 24 Mandaten im Europaparlament den Kern einer neuen Fraktion der rechten und rechtsextremen Parteien in Europa darstellen könnte. Dieser will sich auch die FPÖ mit ihren vier EU-Abgeordneten anschließen.

Marine Le Pen hat bereits seit 2004 ein EU-Mandat - so wie auch ihr Vater Jean-Marie Le Pen. Da der Front National aber bisher insgesamt nur über drei Sitze verfügte und es wegen ständiger Reibereien im rechten Lager zu keiner Fraktionsbildung gekommen war, blieb ihr Einfluss beschränkt. Viel mehr als starke Reden bot Le Pen in Straßburg nicht. Die meiste Zeit glänzte sie durch Abwesenheit von den Sitzungen.

Das soll nun anders werden, kündigte die Front National-Chefin an. Bereits am Mittwoch will sie mit dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders über die Bildung einer eigenen Gruppe im EU-Parlament verhandeln. Wilders hatte überraschend Stimmen eingebüßt.

Eine Fraktion muss aus mindestens 25 Abgeordneten bestehen, was die Rechtsparteien nun leicht erreichen werden. Allerdings gibt es die zweite Bedingung: dass die Abgeordneten aus mindestens sieben EU-Staaten stammen müssen, um ausreichend breit repräsentiert zu sein. Das schien vor der Wahl sicher, da Rechtsparteien aus Schweden, Finnland, Belgien (Vlaams Belang) und der Slowakei als Fixstarter galten. Nun hat die slowakische Nationalpartei aber den Einzug verpasst, und Le Pen muss für Ersatz sorgen.

Schlüsselfaktor Ukip

Der könne sich ausgerechnet in Gestalt der britischen Unabhängigkeitspartei (Ukip) von Nigel Farage anbieten, der bisher eine Fraktion mit den italienischen Separatisten von der Lega Nord gebildet hatte. Die Lega verlor aber deutlich in Italien.

Farage kam nicht nur bei der EU-Wahl in Großbritannien auf Platz eins vor den regierenden Tories von David Cameron. Farage deutete auf eine entsprechende Frage auch an, dass er sich mit EU-feindlichen Parteien aus Frankreich oder Österreich zusammentun könnte. "Die EU hat uns einander näher gebracht", erklärte er sarkastisch - denn seine Ukip wie auch Le Pen verfolgen vehement das Ziel, die Union möglichst schnell zurückzubauen bzw. zu zerschlagen und den Euro wieder abzuschaffen.

Ungewöhnlich wäre diese Allianz aber deshalb, als Farage bisher Rassismus und unklare Aussagen zum Nationalsozialismus aus diesen Parteien kritisierte. Käme es zum Bündnis, würde dies in Mandaten einen großen Sprung für den organisierten rechten Sektor in Straßburg bedeuten. Eine von Le Pen und Farage gemeinsam geführte Fraktion könnte zahlenmäßig sogar die Grünen von Platz vier verdrängen. (tom, DER STANDARD, 27.5.2014)