Auch wenn jetzt erst einmal der Sommer kommt: Der November wird rascher da sein, als  mir lieb ist. Höchste Zeit also, mit den Vorbereitungen für die 42 Kilometer im "Big Apple“ zu beginnen - und da geht es nicht bloß ums Laufen an sich

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Andy Perer hat vor etwa zwei Wochen angerufen: Diesmal, sagte der Chef der Lauf- und Sportreiseabteilung Runner's Unlimited von Ruefa und Eybl, sollte und würde klappen, was im Frühjahr organisatorisch in die Hose gegangen war: Ob ich im November in New York starten wolle? Meine Gegenfrage: "Ist der Papst katholisch?"

Nonaned will ich am 2. November den New-York-Marathon laufen (und das mit der versemmelten Anmeldung für Tokio hatte ich eh schon vergessen).

Perer lachte und empfahl mir, mit Training und  Vorbereitungen besser schon gestern begonnen zu haben. Denn auch wenn der Trip nach NY eine Pressereise, also eine Einladung, ist, dürfe ich eines nicht vergessen: "Die 42 Kilometer musst du schon selbst rennen." Ah geh ...

Foto: ap/jason decrow

Das mit dem jetzt Loslegen hatte ich zuvor schon gehört: Während ich überlege, ob ich meinen Palma-Marathon-Trainingsplan von Michael Buchleitner reaktivieren soll, haben sich Freunde vor ein paar Wochen von Sandrina Illes einen Plan basteln lassen.

Illes ist Duathlethin und gehört mittlerweile über drei Ecken zu unserem erweiterten Laufbekanntenkreis. Sie kann also nicht ausschließlich "fachliche", sondern auch "persönliche" Faktoren mitdenken. Und prompt gab Cornelia dann weiter, was ihr die Trainerin sinngemäß gesagt hatte: "Der November ist rascher da, als du glaubst."

Foto: Thomas Rottenberg

Also gehen wir es an. Und zwar ordentlich. Davon, dass da noch 1.000 Dinge dazwischenkommen können, kann ich Lieder singen: Wien 2013 habe ich mir mit einer Lungenentzündung verdorben. Als ich, halb wiederhergestellt, einem Freund den Pacemaker machte, bezahlte ich mit einem Muskelriss aus eigener Blödheit und Übermut - und der zog sich dann so lange hin, dass bis ich mir rechtzeitig vor Berlin 2013 das Knie beschädigte.

Egal: Das Langsamlaufen in Berlin war eines der schönsten Lauferlebnisse meines Lebens. Wo andere nur die Pulsuhr und die Kilometertafeln im Auge hatten, konnte ich Stadt und Stimmung voll genießen: Schnell, habe ich begriffen, muss nicht schön sein.

Foto: Thomas Rottenberg

Doch 42 Kilometer sind kein Spaziergang. Das heißt: Wehwehchen und Krankheiten lieber jetzt an der Wurzel angehen, als knapp vor dem Lauf improvisieren.

In meinem Fall heißt das: endlich den Husten, den ich seit über einem Jahr latent herumschleppe, loswerden. Und einsehen, dass die Knieschmerzen tatsächlich immer zwei Wochen vor dem Moment auftreten, in dem mir Wiens "Laufschuhgott" Hans Blutsch sagt: "Diese Schuhe SIND durch. Und Sie sollten den Rat von Illes (sie macht auch orthopädische Laufanalysen, Anm.) ernst nehmen und hin und wieder auch mit anderen, langsameren Schuhen laufen."

Foto: Thomas Rottenberg

Jetzt ist noch genügend Zeit, verschiedene Schuhe so zu testen, um im November zu wissen, welchen man die Füße für die Langstrecke anvertraut. "Gut gedämpft, weil's lange dauert" oder "lieber schnell und hart" ist bisher meist eindeutig ausgegangen, aber das muss nicht so bleiben.

Ob ich meinem aktuellen Lieblings-Temposchuh (dem Nike Lunarlon) treu bleibe, lässt sich noch in Ruhe ergründen. Zum Training - insbesondere für längere langsame Läufe auf wechselndem Untergrund - gefällt mir derzeit der Salomon Citytrail X-Scream gut, auf Waldwegen laufe ich gern mit Icebug oder Mammut-Trail-Schuhen, unehrgeizige Asphalteinheiten machen mit dem Brooks Glyzerin Spaß, und zur Regeneration über weniger als zehn Kilometer können es ab und zu auch Nike Free oder andere Barfuß-Halbvortäuscher sein.

Foto: Thomas Rottenberg

Ebenso eine Glaubensfrage wie die Schuhe ist die "richtige“ Pulsuhr: Klar geht es auch ohne. Aber die Vorbereiterei auf ein bestimmtes Ziel macht mehr Sinn, wenn Struktur drin ist. Mit mess- und vergleichbaren Parametern, um Fortschritt oder Stillstand nicht bloß zu vermuten, sondern zu sehen.

Ich bin seit Jahren "Polarianer" - weil es sich so ergab, dass ich eine Polar-Uhr umgeschnallt hatte, als ich zu laufen begann. Erst in den letzten Monaten habe ich begonnen, über meinen behavioristischen Prägungs- und Präferenzschatten zu springen.

Foto: Thomas Rottenberg

Meine eigene Uhr ist derzeit die Polar RCX 5. Ein sehr brauchbarer Wecker, der verlässlich aufzeichnet und eine sogar für mich verständliche Web-Plattform hat. Die Uhr ist so leicht und flach, dass sie weder rutscht noch wackelt und ich sie beim Laufen null spüre.

Das liegt nicht zuletzt an jenem Feature, das von anderen Usern als Nachteil empfunden wird: Der GPS-Dongle muss separat mitgeschleppt werden. Da andere Hersteller da schon weiter sind, kündigt Polar seit langem an, mit der V800 verlorenes Terrain gutzumachen.

Doch das für April angekündigte Testgerät habe ich bis dato nicht in der Hand gehabt, und allen mir bekannten Testern und Händlern geht es ähnlich: Bis auf den US-Blogger DC Rainmaker, der schon im Februar die V800 testete, habe ich kaum mehr gefunden als umgeschriebene PR-Ankündertexte. Angeblich sind in einigen Ländern mittlerweile immerhin Beta-Testgeräte am Markt.

Foto: Thomas Rottenberg

Dieses Warten nutzten die Mitbewerber des Marktführers: Die Suunto Ambit 2 (und ihre kleinere Schwester, die Ambits 2s) habe ich hier schon beschrieben. Und bin danach noch weiter mit der Ambit gelaufen und auch sonst unterwegs gewesen: Für Outdooraktivitäten sind beide ein Hammer. Beim Laufen haben sie aber einen Nachteil: Ich habe lieber eine Uhr am Handgelenk, die leicht und kompakt-flach aufliegt.

In diese Bresche sprang Garmin: Der (oder die?) Fenix 2 ist eine Outdoor-Uhr, die Stücke spielt, von denen ich nicht einmal zu träumen wage. Die Uhr ist aber kleiner als der finnische Konkurrent. Außerdem verfügt sie über ein Feature, das mir seit der Einführung des GPS-Trackens abgeht: Früher maßen Laufuhren mit Fußsonden Tempo und Distanz. Mit der Satellitentrackerei kamen diese "Fußpods" aus der Mode. Doch Fußsonden maßen auch Schrittlänge und Schrittfrequenz - bei auf Effizienz bedachtem Training zwei wichtige Parameter. Die Garmin-Spitzenmodelle sagen aber nicht mehr "Entweder-oder", sondern "Sowohl-als-auch".

Freilich: Auch der/die Fenix hat Schwachpunkte. So kann man die Uhr zwar mit dem Smartphone koppeln und Routen in Echtzeit ins 2.0er-Netz spielen, nur schaltet die eitle Spielerei die Verbindung zum Pulsmesser ab. Und: Getrackte Routen lassen sich am Computer nicht auf Vollbild switchen. Trotzdem: Derzeit ist der/die Fenix mein Favorit für NY.

Thomas Rottenberg

Beim Frauenlauf stolperte ich in den Stand von Tomtom. Die Niederländischen Navi-Spezialisten haben lange Jahre die Laufuhren von Nike gebaut, bevor sie unter dem eigenen Namen auf den Markt traten. Mit dem Tomtom Runner Cardio soll nun eine neue Epoche anbrechen: die des brustgurtlosen Ausdauersports.

Weil Tomtom die Herzschläge nicht über dem Solarplexus misst, sondern mit optischen Sensoren an der Unterseite der Uhr. Das Konzept ist nicht ganz neu, funktionierte bisher aber nie zufriedenstellend, sobald man sich tatsächlich zu bewegen begann.

Die Tomtoms beim Frauenlauf-Stand beteuerten: Man erreiche mittlerweile de facto EKG-Genauigkeit - und werde mir ein Testgerät zukommen lassen. Bis zum New-York-Marathon wird sich das wohl klären lassen.

Foto: Hersteller

Bereits geklärt ist die Frage nach meiner Marathon-Cam: Meine Gopro3 hat mich in den letzten Monaten fast in den Wahnsinn getrieben. Weil sie ständig abstürzte - und sich nur neu starten ließ, wenn ich den Akku herausnahm, die Kamera ein paar Minuten auskühlen (!) ließ und wieder zusammen baute.

Mittlerweile kann ich das sogar während Sprinteinheiten - aber es nervt. Vor allem, weil der Bug auch beim Ersatzgerät umgehend wieder auftrat. Oliver Indra, mein Servus-TV-Kameramann, riet mir dann, die Gopro3+ zu kaufen: "Weil die Dreier ohne Plus eine Pein ist." Indra hatte recht. Wie meistens.

FOto: Thomas Rottenberg

Zwischenzeitlich testete ich aber (etwa im Blogeintrag "Run like a Tourist") die der "Garmin Virb Elite": Ein wirklich feines Actioncam-Spielzeug, das ein kleines Display hat, GPS- und Pulsdaten verarbeiten kann - und sich sogar über einige Garmin-Uhren steuern lässt. Geil - vor allem beim Biken.

Doch der Hersteller sagt selbst, dass das Baby nicht fürs Laufen gemacht ist. Nicht nur, weil das Ding größer und schwerer als die Gopro ist - auch, weil es keine brauchbaren Körper-Halterungen gibt. Außerdem: Die Gopro ist wasserdicht verpackt - die Virb nur spritzwasserfest. Beim Laufen oder Klettern ist das meist egal - bei sonstigem Unfug nicht.

Foto: Thomas Rottenberg

Läufe gewinnt oder verliert man unterwegs. No na. Aber meist scheitert man nicht an Kraft oder Kondition, sondern an der Einteilung der Reserven - also dem richtigen Umgang mit Energie und Speicher. Auf deutsch: Am Futter.

Wer rennt, verbrennt. Und meistens geht eh alles, was Spaß macht. Theoretisch - weil es eben doch einen Unterschied macht, was welcher Körper wie, wann und wie lange verarbeitet: Wer viel, aber eben einfach nur so läuft, dem tut am Abend vor einem 25-Kilometer-Trainingslauf auch ein Schnitzel plus nachgeschobenenem Tiramisu nicht weh. Schlau ist es trotzdem nicht.

Und wenn es länger dauern soll, tut man gut daran, die Nahrungsgewohnheiten zumindest mittelfristig zu adaptieren. Auch was man ergänzt oder unterwegs nachlegt, sollte tunlichst frühzeitig getestet werden. Das geht nur per Trial-&-Error - vor allem, wenn es um Gele und Riegel geht: Bei manchen Leuten kommen die nämlich umgehend wieder rauf - und dass man Sorte A gut verträgt, heißt nicht, dass das für Sorte B stimmt. Auch hier gilt: Die Zeit bis November zu nutzen.

Foto: Thomas Rottenberg

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Noch etwas ist wichtig: Der Sound. Klar läuft man große Events "sozial“. Aber dazwischen gibt es auch Strecken, in denen man für sich und mit sich selbst unterwegs ist. Für mich persönlich gilt, dass ich in Durchbeißphasen  Durchbeißmusik brauche. Das hat nix mit Hörbuch-Kontemplation auf langen, langsamen Sololäufen oder lustigen Beats bei Intervall - und Tempoläufe zu tun: Wenn nichts hilft, hilft nur noch Musik, die so grauenhaft ist, dass sie nicht einmal mehr zum Fremdschämen taugt.

Weil ich unlängst in einem Facebook-Eintrag zu einem Trainingslager der Profipartie um Elisabeth Niedererer las, dass dort ab dem fünften Trainingstag kaum etwas anderes als Rammstein läuft, gebe ich es jetzt auch zu: Diese Gesellen höre ich auch - als letztes Mittel. Mein persönlicher Kick-Ass-Track aus der Proll-Beat-Hölle: "Pussy". Und als wäre der Song nicht schon übel genug: in der Remixversion von Scooter. DIESE Playlist des Grauens werde ich wohl auch bis November zusammengestellt haben.

Foto: apa/epa/heimken

Abgesehen von all diesem Unfug gilt es aber vor allem eines zu tun: vor lauter Plänen, Strategien und Vorbereiterei das Wichtigste nicht aus den Augen zu verlieren. Den Spaß.

Weil es um nichts anderes geht: Es ist nur Laufen. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Von mehr als nur vom Laufen erzählt Thomas Rottenberg übrigens hier: derrottenberg.com. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 28.5.2014)

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Der Trip zum NY-Marathon ist eine Einladung von Ruefa Runner's Unlimited

Die im Text erwähnten Geräte von Garmin und Suunto sind Test- respektive Leihgeräte. Die erwähnte Polar RCX5 und die Gopros sind - ebenso wie alle erwähnten Schuhe (mit Ausnahme der Salomon-Citytrail-Laufschuhe) - selbst gekauftes Equipment.

tcsnycmarathon.org

sandrina-illes.at

laufsport-blutsch.at

polar.com

suunto.com

garmin.com

tomtom.com

salomon.com

gopro.com

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