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Ein Bild aus glücklicheren Zeiten: Christian Benger (re.) wird als Landesrat angelobt.

Foto: APA/Eggenberger

Es rumpelt in der Kärntner Wendekoalition. Nach der geschlagenen EU-Wahl wird das immer hörbarer. SPÖ und Grüne konnten Gewinne verbuchen, während die ÖVP stagnierte und Platz zwei den Freiheitlichen überlassen musste. Für die geschwächte ÖVP wird es jetzt innerhalb der Koalition deutlich schwieriger, mit ihren Anliegen durchzukommen.

Der neue Parteichef Christian Benger will seine Partei daher aus der starken rot-grünen Umarmung herausbekommen. Zumal Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) gestärkt durch das EU-Wahlergebnis den Schwarzen bereits die Koalitionsrute ins Fenster stellte.

Benger will jetzt den Koalitionspakt "nachjustieren", wie er im Gespräch mit derStandard.at betont. "Jeder Betrieb muss ständig Veränderungen aufnehmen und entsprechend agieren. Das muss auch die Politik, wenn sie das Land weiterbringen möchte", sagt Benger. Er vermisst den Reformeifer bei seinen Koalitionspartnern. "Da möchte ich mehr Aktion sehen." Schließlich gelte es in Kärnten, die Schulden nachhaltig zu senken und die Bürokratie einzudämmen. Aussteigen aus der Koalition will Benger jedoch nicht - auch wenn Rot und Grün bezüglich "Nachjustierung" bereits abgewunken haben.

Konflikte programmiert

Der ÖVP-Landesparteitag dürfte jedenfalls spannend werden. Dieser soll am 28. Juni in Feldkirchen stattfinden und Benger auch formal zum ÖVP-Chef küren. Es ist zu erwarten, dass die ÖVP dort ihre Standpunkte  aggressiver als bisher  formulieren wird. Mit Benger, einem ausgewiesenen Wertkonservativen und Wirtschaftsliberalen, erhofft sich die ÖVP nach dem verpatzten Kärntner Zwischenspiel des früheren Staatssekretärs und Kulturmanagers Wolfgang Waldner wieder mehr Zulauf. Da auch die in der Wendekoalition tonangebenden Sozialdemokraten mit ihrem Vorsitzenden Kaiser weiter nach links gerückt sind, dürften künftig Konflikte programmiert sein.

Schon bisher tauchten zwischen Rot-Grün einerseits und Schwarz andererseits Konfliktherde auf, die das Potenzial für einen Flächenbrand haben.

Naturschutz oder Arbeitsplätze

So etwa bei einem Hotelprojekt des Tiroler Liftkaisers Heinz Schulz gemeinsam mit Hans Peter Haselsteiner auf dem Mölltaler Gletscher, das eine Talabfahrt mitten durch Naturschutzgebiet inkludiert. Für die Grünen ein absolutes "No-go", für die ÖVP eine wirtschaftliche Notwendigkeit, zumal das Land in einem katastrophalen Zustand ist und Investoren, die Arbeitsplätze schaffen, dringend braucht. Für Benger ist klar: "Wenn dieses Projekt nicht realisiert wird, dann müssen SPÖ und Grüne erklären, warum sie im ländlichen Raum 120 Arbeitsplätze vernichtet haben."

Roter Machtanspruch

Nächster Konfliktherd für die ÖVP ist der "rote Machtanspruch", der sich wieder überall bemerkbar mache. So etwa in den Landesgesellschaften, die die Wendekoalition entflechten und neu aufstellen will. Da ortet die ÖVP wie schon in der Landesverwaltung bei Postenbesetzungen einen roten Zugriff auf wichtige Schaltstellen. Jüngster Reibungspunkt: die Kärntner Tourismusholding (KTH). Die könnte wieder dem Land eingegliedert werden. Dann hätte SPÖ-Finanzreferentin Gaby Schaunig wie zuvor schon Jörg Haider dort das Sagen. Sie wolle sich ohnehin auf ihre Aufsichtsfunktion beschränken, versucht Schaunig die Ängste der ÖVP zu entkräften. Doch Tourismusreferent Benger will diesen Diskussionsprozess möglichst im Keim ersticken, zumal jetzt auch der derzeitige KTH-Geschäftsführer Friedrich Morri in Pension geht.

Dessen Nachbesetzung könnte wiederum für Ärger bei der ÖVP sorgen, sollte es mit Reinhard Zechner ein von der SPÖ favorisierter Kandidat werden. Vor allem Wirtschaftskammer-Präsident Franz Pacher, über den die frühere ÖVP-Doppelspitze Gabriel Obernosterer und Wolfgang Waldner vorzeitig gestolpert war, ärgert sich über den neuen Stil der Dreierkoalition nach außen, der in Wirklichkeit ein alter sei. "Der neue Stil, was ist das? Keine Ideen, keine Diskussionen, aber wir haben uns alle lieb", bringt es ein Wirtschaftskämmerer auf den Punkt. Und hinter den Kulissen ziehe die SPÖ ihre roten Netzwerke hoch, befürchtet die Wirtschaftskammer.

Grünes Schweigen

Auch beim Thema Sparen gehen die Meinungen immer öfter auseinander. So sieht die ÖVP enorme Sparpotenziale nicht nur in der Verwaltung, sondern auch im Spitalswesen und im Bereich Soziales. Beides ressortiert aber zur SPÖ. Dass diese mit der Kettensäge in ihr Kernwählerpotenzial hineinschneidet, ist nicht zu erwarten, vor allem sind dort auch die roten Gewerkschaftsbosse tief verankert. Über das Zusperren einzelner regionaler Landesspitäler darf schon gar nicht diskutiert werden. Wie die Gemeinden allerdings ab 2015 rund 81 Millionen Euro für die Spitalsfinanzierung aufstellen wollen oder können, bleibt bislang unbeantwortet.

Dass Kleinschulen in etlichen Gemeinden, nicht aber in roten, zugesperrt werden sollen, sieht die ÖVP ebenfalls als Klientelpolitik, von der man endlich wegmüsse. Beispiel Hüttenberg: Dort soll die Hauptschule mit 52 Schülern zugesperrt werden. Die nur wenige Kilometer entfernte in Klein Sankt Paul mit 62 Schülern dagegen soll um zehn Millionen Euro saniert werden. Der kleine Unterschied: Hüttenberg hat einen freiheitlichen, Klein Sankt Paul einen roten Bürgermeister. Dabei ist in Hüttenberg die Abwanderung besonders hoch. In Wieting, einer Katastralgemeinde von Klein Sankt Paul, sei für einen Tennisverein mit 25 Mitgliedern eine Tennishalle mit mehr als 160.000 Euro Landesgeld über Bedarfszuweisungen unterstützt worden, moniert die ÖVP. Die Grünen, früher die Aufdeckerpartei Nummer eins in Kärnten, schweigen wohl aus Koalitionsraison und konzentrieren sich in der Regierungsarbeit auf ihre Kernbereiche.

Gehen oder bleiben

"Uns bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten", hört man immer öfter aus der ÖVP: Entweder dem neuen Obmann Benger gelingt es, sich mehr Spielraum innerhalb der Koalition zu verschaffen, oder er springt überhaupt ab. Derzeit ist das freilich kein Thema. Zumal Rot-Grün auch durch die EU-Wahl wieder gestärkt wurde. Bleibt die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt. An Stolpersteinen dürfte es nicht mangeln. (Elisabeth Steiner, derStandard.at, 27.5.2014)