Wien – Am zweiten Tag des Prozesses gegen Gerhard B. geht es um das Glück. Der 47-jährige Versandhändler soll veranlasst haben, dass es bei seinen Gewinnspielen garantiert keine Gewinner gab, wirft ihm Staatsanwalt Marcus Böhm unter anderem vor.

B. sitzt wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Stephanie Öner. Er soll mit den „Sie-haben-gewonnen-Briefen“ unter der Marke „Friedrich Müller“ alleine in zwei Monaten 2008 rund 8000 Kunden um über 750.000 Euro geschädigt haben.

Mit reißerisch aufgemachten und drängenden Schreiben, in denen von hohen Gewinnen die Rede war, soll er die Empfänger verleitet haben, 50 Euro „Express-Zuschlag“ zu zahlen. Und das, obwohl manchmal klar war, dass niemand eine Chance hatte.

Ursula N. war IT-Leiterin in B.s Firma. „Das war im Nachhinein gesehen einfach ein Wahnsinn, dass ich das gemacht habe“, erzählt sie nun Öner. B. habe ihr den Auftrag gegeben, die Software so zu manipulieren, dass bei den notariell überwachten Ziehungen nur fiktive Adressen gezogen wurden und nicht eine der zehntausenden realen Teilnehmer.

Positive Rechtsgutachten

„Es war uns wirklich nicht bewusst, dass das ein Verbrechen ist“, sagt sie über den Programmierer und sich heute. Allerdings:_Auch der Sinn der Aktion sei ihr nicht ganz klar gewesen. Denn es handelte sich um ein Spiel, bei dem die Chance auf einen Gewinn ohnehin nur bei eins zu einer Million lag.

Der Angeklagte leugnet alle Vorwürfe und beteuert, es sei eine normale Marketingaktion gewesen. Und beruft sich, wie auch die Mitarbeiter als Zeugen, darauf, dass positive Rechtsgutachten über die Geschäfte eingeholt worden seien. Ein juristischer Auftragnehmer: Der amtierende Justizminister Wolfgang Brandstetter. Den will Verteidiger Jürgen Mertens nun auch als Zeugen laden lassen. Am Mittwoch wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, Der Standard, 28.5.2014)