Athen/Sofia - Sie standen beide jahrelang vor der Kamera, bohrten Woche für Woche in den gesellschaftlichen Wunden von Korruption und sozialer Ungleichheit und wurden populäre Volksanwälte. Dann zogen Nikolai Barekow und Stavros Theodorakis unabhängig voneinander in die Europawahlen, der eine in Bulgarien, der andere in Griechenland. Der Erfolg der Exfernsehmänner sagt einiges über Krise und Neubeginn im ärmsten und im am tiefsten verschuldeten EU-Mitgliedsland.
Barekows neue Partei Bulgarien ohne Zensur - der Titel seiner populären Livesendung - bekam auf Anhieb 10,7 Prozent und zwei Sitze in Straßburg. Theodorakis' Bewegung mit dem poetischen Namen To Potami, der Fluss, erreichte 6,6 Prozent und ebenfalls zwei Mandate. Ihre Gegner sind die "Status-quo-Parteien", so sagen die Exjournalisten. Sie sind ein Sprachrohr der Unzufriedenen, die mit zwei Jahrzehnten Politik aufräumen wollen. Alle nur einfach weg: Pasok und Nea Dimokratia in Griechenland, Sozialisten und Konservativ-Liberale in Bulgarien.
Die Regierung wackelt nun in beiden Ländern, doch die Ergebnisse der Europawahlen sind gleichwohl differenzierter. In Bulgarien behauptete die frühere konservativ-populistische Regierungspartei Gerb (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) von Expremier Boiko Borissow mit 30,4 Prozent ihren Rang als größte politische Kraft. Für die in Sofia regierenden Sozialisten (BSP) wird es nun eng; sie kamen nur auf knapp 19 Prozent. Auch mit der Karriere von Sergej Stanischew, Chef der BSP wie der Sozialdemokratischen Partei Europas, wird es wohl erst einmal vorbei sein. In Griechenland setzten sich die Sparkursgegner des linksgerichteten Bündnisses Syriza mit 26,6 Prozent deutlich vor die regierenden Konservativen von Premier Antonis Samaras.
Die TV-Lieblinge Barekow und Theodorakis packen die Sache nun unterschiedlich an. Der Bulgare, weit hemdsärmeliger als der intellektuelle Grieche, verlangt Neuwahlen im Oktober. Theodorakis dagegen erklärte, er werde mit Samaras wie Tsipras, dem Syriza-Chef, zusammenarbeiten, wenn sich Gemeinsamkeiten finden lassen. Für Straßburg interessieren sich beide nicht wirklich. Die Europawahlen kamen eben nur als erster Test nach der Gründung ihrer Parteien.
Theodorakis nahm nur Nichtpolitiker in seinen Fluss mit, Barekow dagegen brüstete sich damit, dass er in den vergangenen Wochen Politiker von Gerb und der kleinen liberalen Bürgerbewegung der früheren EU-Kommissarin Meglena Kunewa abwerben konnte. Für die Europawahlen schloss er zudem ein Bündnis mit der historischen Nationalistenpartei VMRO.
Barekow, Jahrgang 1963 wie Theodorakis auch, trug zunächst den Makel, seinen kostspieligen Einzug in die politische Arena Hintermännern zu verdanken wie dem umstrittenen Unternehmer und Abgeordneten Deljan Peewski; Barekow arbeitete für einen Sender, der Peewskis Einfluss zugerechnet wird. Doch im Lauf des Wahlkampfs erwies sich Barekow als eigensinniger, unabhängiger Kopf. Ihn politisch einzuordnen ist nicht einfach. Theodorakis gilt dafür jetzt schon als Inspirator einer neuen liberalen Mitte.(Markus Bernath, DER STANDARD, 28.5.2014)