Brigitta Bauchinger hat ihr Leben der Entwicklungshilfe verschrieben. Die 56-jährige Oberösterreicherin bereist seit 1979 die Welt, um den Ärmsten der Armen auf dieser Welt zu helfen. 35 Jahre später sitzt sie, mit gelber Schürze über dem weißen Hemd, in ihrem "Café de Vienne" in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Um sie herum schwirrt ihr Personal und serviert Schnitzel, Gulasch, Kaiserschmarrn oder Sachertorte. Zehn Prozent der Einnahmen widmet sie kleinen Entwicklungshilfeprojekten, dem großen, offiziellen Weg hat sie notgedrungen abgeschworen.

Aufgewachsen im Innviertel, wusste Bauchinger schon mit 16 Jahren, dass sie helfen will, wo ihre Hilfe gebraucht wird. Ihre Eltern starben früh, "vielleicht kam aus dieser schwierigen Familiensituation die Motivation, zu helfen". Auch die Religion spielte dabei eine wichtige Rolle, in der katholischen Jugend fand sie eine Zweitfamilie. Allerdings musste sie sich noch fünf Jahre gedulden, das Mindestalter beim Österreichischen Entwicklungsdienst (ÖED) betrug 21 Jahre. Ihre Stiefmutter hoffte, das Bauchinger bis dahin einen Mann finden und eine Familie gründen würde, um von diesen im ländlichen Bereich so unüblichen Plänen abzukommen. "Der Traummann ist allerdings nie aufgetaucht", sagt Bauchinger und lacht dabei herzhaft.

Brigitte Bauchinger führt das "Café de Vienne" in Ouagadougou. 
Foto: derStandard.at/Hoang

Nachdem Bauchinger das Mindestalter erreichte und ihre Bewerbung angenommen wurde, erfolgte schon die erste Reise im Namen der Entwicklungshilfe - in die heutige Zentralafrikanische Republik. Mit holländischen Patres und französischen Nonnen kümmerte sie sich im "hintersten Busch" um die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung. Es folgten Stationen im ÖED-Büro in Wien, Indien, Costa Rica, wieder Zentralafrika. Von 1995 bis 1997 betreute sie in Österreich burkinische Jugendliche, die als Elektriker oder Installateure ausgebildet und danach wieder in die Heimat geschickt wurden. Daraus entstanden die ersten Kontakte zu Burkina Faso.

In Burkina Faso sind zahlreiche NGOs tätig, um eines der ärmsten Länder der Welt mit dem Notwendigsten zu versorgen. Vor allem im Norden des westafrikanischen Binnenstaates können die elementarsten Bedürfnisse nur schwer abgedeckt werden. Als Teil der Sahelzone kommt es regelmäßig zu Dürreperioden, die der lebensnotwendigen Landwirtschaft einen schweren Schlag versetzen. Hinzu kommen in der Regenzeit Überflutungen wie im Jahr 2012, durch die die ohnehin schon fragile Infrastruktur zerstört wird.

2004 ging Bauchinger nach Burkina Faso. Die Vereinigung für Entwicklungszusammenarbeit (VEZ) schickte sie nach Ouagadougou, um auf Halbtagsbasis diverse Projekte zu koordinieren. Nebenbei kümmerte sie sich um kleine, private Projekte. Bauchinger ist dort gut vernetzt, und ihre Hilfe war immer willkommen. Als zwei Jahre später der Vertrag auslief, konnte sich die VEZ eine Verlängerung nicht leisten. "Ich wollte aber nicht zurückkehren, also musste ich mir etwas eigenes aufbauen. Und von einem Café hatte ich schon immer geträumt", sagt Bauchinger.

Das "Café de Vienne" von außen. 
Foto: derStandard.at/Hoang

Da es ein Wiener Café sein sollte, gab es einige logistische Herausforderungen: "Ich musste mich gut organisieren, um Mandeln, Haselnüsse oder Kochschokolade zu bekommen. In Burkina Faso gibt es das gar nicht oder nur zum drei- bis fünffachen Preis." Die VEZ, für die Bauchinger nebenbei immer noch tätig ist, schickt einmal im Jahr einen Container nach Burkina Faso. In Österreich werden Fahrräder gesammelt, repariert und dann nach Westafrika geschickt, um sie dort zu verteilen. Im Container ist dann auch Platz für Bauchingers Zutaten. Ansonsten nehmen auch Freunde immer wieder etwas mit, wenn sie zu Besuch sind. 

Abgesehen davon gab es finanzielle Schwierigkeiten beim Aufbau des "Café de Vienne". "Bei den Investitionen habe ich mich total verkalkuliert und Dinge eingekauft, die ich dann gar nicht gebraucht habe. Ein riesiger Backofen steht noch immer unbenutzt herum." Das Projekt stand immer wieder an der Kippe, nur dank Freunden in Österreich, die ihr Geld liehen, konnte sie weitermachen. Mindestens 50.000 Euro hat sie ins Café investiert.

Seit einem Jahr, sagt Bauchinger, ist das Café in den schwarzen Zahlen. Die mittlerweile 13 Angestellten bekommen pünktlich ihr Gehalt, und nun kann sie auch - wie geplant - einen Teil des Gewinns in Entwicklungshilfeprojekte stecken. Ein Staudammprojekt da, Ausrüstung für eine Schule dort - im ruralen Bereich Burkina Faso hat Bauchinger bislang an die 15 Projekte umgesetzt: "Mir ist auch wichtig, dass ich immer wieder aus Ouagadougou rauskomme. Wenn ich mich hier ärgere, dass mal wieder auf den Schlagobers vergessen wurde, denke ich mir am Land: Wer braucht schon Schlagobers?"

Das "Café de Vienne" von innen. 
Foto: derStandard.at/Hoang

Für die großen NGOs ist Bauchinger nicht mehr tätig - zwangsläufig. "Da ist es wichtig, einen Titel aufzuweisen und den Fachjargon zu beherrschen. Das bin ich nicht, ich kann nur Erfahrung vorweisen. Das ist aber nicht gefragt, in meinem Alter will mich ja keiner mehr", sagt Bauchinger, ganz ohne Wehmut. "Ich bleibe lieber an der Basis und weiß, wo das Geld hingeht, anstatt am großen Kuchen mitzunaschen."

Wenn ihr jemand Geld spendet, um Entwicklungshilfe zu fördern, dann geht der Großteil auch tatsächlich an die Betroffenen, betont sie. "Bei den NGOs mit ihrem großen Personal, den schicken Autos und Villen mit Klimaanlage ist das anders." Dass die ohnehin schon bescheidenen österreichischen Entwicklungshilfegelder weiter gekürzt werden, kommentiert Bauchinger knapp: "Es geht einfach nicht mehr um den Menschen."

Bauchinger nennt weitere Gründe, weshalb sich die Lage in Burkina Faso trotz der zahlreichen internationalen Bemühungen nicht wirklich verbessert: "Wenn hier ein kleiner Beamter eine große Villa besitzt, dann kann man sich seinen Teil denken." Ansonsten sieht sie vor allem ein mentales Problem: "Das kleine Burkina Faso ist eine Art Versuchswiese für die NGOs. Hier wird viel Geld hineingesteckt, und dadurch werden die Menschen verwöhnt. Sie denken sich: Es wird schon wieder Geld kommen. Und es ist ja nicht ihres." So kann nichts Nachhaltiges aufgebaut werden, sagt Bauchinger. Zuerst muss die Verbesserung in den Köpfen der Burkinabe ankommen, dass sie auch selbst anpacken müssen.

Burkina Faso, eines der ärmsten Länder der Welt. 

Dabei nennt Bauchinger ein Beispiel: Ihrem Chefkoch hat sie oft geholfen, ihn bei der Renovierung seines Daches finanziell unterstützt, ihm mal eine Untersuchung wegen Fußschmerzen bezahlt. "Letztens, es war Ende des Monats, erzählt er mir wieder von Schmerzen im Fuß. Ich habe ihm angeboten, ihm seinen Lohn vorzeitig auszuzahlen. Das wollte er aber nicht, das wäre ja dann sein eigenes Geld, das er ausgeben müsste."

Deshalb ist Bauchinger auch froh, wenn sie von früheren Projekten nichts mehr hört. Denn das heißt, dass dort alles funktioniert. (Kim Son Hoang, derStandard.at, 3.6.2014)