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Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel stellt sich nun hinter Jean-Claude Juncker (li.). Die Dänin Helle Thorning-Schmidt könnte Nachfolgerin von Herman Van Rompuy als Ständiger Ratspräsidentin werden.

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Einen neuen Job könnte es auch für Polens Außenminister Radoslaw Sikorski geben: Er wird als Nachfolger von Catherine Ashton als EU-Außenbeauftragte gehandelt.

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Martin Schulz könnte der Stellvertreter von Juncker in der Kommission werden

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Brüssel - Helle Aufregung gab es auch Freitag quer durch alle Regierungs- und Parteizentralen um die Nominierung von Jean-Claude Juncker zum Präsidenten der EU-Kommission. Für Rätselraten sorgte vor allem, warum die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel zwei Tage nach den Wahlen dem Spitzenkandidaten aus dem eigenen Lager die Unterstützung öffentlich verweigerte.

Daraufhin war in vielen Leitmedien und öffentlichen Foren eine noch hitzigere Debatte darüber losgebrochen, was es für die Demokratie in der EU bedeute, sollten die Staats- und Regierungschefs das Ergebnis der Wahlen ignorieren, einen unbekannten Dritten zum Kandidaten nominieren.

Genau das hat der britische Premierminister David Cameron zu seinem Hauptziel erklärt. Juncker steht für ihn als Symbol für mehr EU-Integration, eine Stärkung der Eurozone. In Deutschland rückt aber der Demokratieaspekt in den Vordergrund, weil mit Juncker und dem Sozialisten Martin Schulz zwei „Spitzenkandidaten“ zur Wahl standen. „Juncker muss Präsident werden“, schrieb Springerverlag-Chef Mathias Döpfner in der Bild-Zeitung. Ein Dritter, der nicht zur Wahl stand, dürfe es nicht werden.“ Sonst werde Demokratie „zur Farce“.

Merkels Sinneswandel

Diese Schärfe zeigt, wie kritisch die Lage für die Kanzlerin binnen Stunden geworden ist: „Sie hat das unterschätzt, schlecht beraten“, heißt es. Ihr sitzt auch SPD-Koalitionspartner Sigmar Gabriel im Nacken, der auf die Juncker-Kür besteht. Freitag kurz nach Mittag dürfte sich das Blatt dann „definitiv“ gewendet haben – zugunsten von Juncker, gegen Cameron, wie der STANDARD in Brüssel in Erfahrung bringen konnte.

Merkel nutze einen Auftritt vor dem Katholikentag in Regensburg für eine Klarstellung. Die Christdemokraten seien als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen, „deshalb führe ich jetzt alle Gespräche genau in diesem Geiste, dass Jean-Claude Juncker auch Präsident der Europäischen Kommission werden sollte“, sagte sie.

„Zu 95 Prozent ist Juncker fix“, heißt es in der EVP. Cameron werde einsehen müssen, dass er diesen Machtkampf nicht gewinnen könne. Er wird nur noch vom Ungarn Viktor Orbán unterstützt.

Arbeiten am Personalpaket

Mit der Stimme Merkels gebe es beim EU-Gipfel eine klare qualifizierte Mehrheit für Juncker. Ratspräsident Herman Van Rompuy soll nun in den nächsten Konsultationen mit den Hauptstädten und dem Parlament führen.

Doch das ist nur der offizielle Teil der Gespräche. Im Hintergrund wird fleißig am Personalpaket für die künftige Führung der Union gebastelt. Dabei zeichnen sich zwei Sensationen ab.

Um Großbritannien und kleinere skeptische Nordstaaten gütig zu stimmen, soll die dänische Premierminsterin Helle Thorning-Schmidt Nachfolgerin von Van Rompuy als Ständige Ratspräsidentin werden – protokollarisch das höchste Amt. Sie ist Sozialdemokratin, als Frau und Ministerpräsidentin des Nicht-Euro-Landes ideales Gegengewicht zum Christdemokraten und früheren „Mr. Euro“ Juncker. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski würde dann als „Vollprofi“ die Außenbeauftragte Catherine Ashton ablösen, was die EU-Staaten aus Osteuropa stärkte.

Bliebe der Deutsche Schulz. Er kommt für zwei Posten in Frage: Entweder bleibt er, wie bisher, Präsident des Europaparlaments, sogar für fünf Jahre. Oder Schulz bildet – was eine Sensation wäre – mit Juncker eine Doppelspitze in der EU-Kommission, als dessen Vizepräsident und direkter (einziger) Stellvertreter. Juncker selber, heißt es, könne sich beides vorstellen, er könnte sich eine direkte Zusammenarbeit mit dem Deutschen vorstellen. Entscheiden muss darüber aber Merkel. Denn dafür müsste sie Schulz als deutschen Kommissar nominieren. Ihre CDU müsste verzichten.  (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 30.5.2014)