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Im Unterschied zu den Kickern der aktuellen Seleção hat Alexandra do Nascimento schon einen WM-Titel geholt.

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Standard: Ist der Abschied aus Österreich ein wehmütiger?

Nascimento: Der Abschied fällt mir sehr, sehr schwer. Ich habe alles hier gelernt. Ich wollte bis 2016 bleiben, bei Hypo meine Karriere beenden. Aber ich hatte keine andere Möglichkeit, als nach Rumänien zu Baia Mare zu wechseln. Hypo hat momentan nicht so viel Geld. Ich möchte noch zwei Jahre professionell spielen. Vielleicht kann ich dann zurückkehren.

Standard: War es schwierig, sich in Österreich einzuleben?

Nascimento: Das war unglaublich. Es war nie mein Traum, nach Europa zu gehen. Ich war nicht so gut im Handball. In Brasilien habe ich nur einmal pro Tag trainiert, hier musste ich zweimal trainieren. Nach dem dritten Tag war ich tot. Ich dachte, das schaffe ich nicht. Aber meine Landsfrau Daniela Piedade, die schon zwei Jahre bei Hypo war, hat mich aufgebaut. Das Land ist super. Aber die Sprache! Das war sehr schlimm. Ich habe fast jeden Tag geweint, weil ich nichts verstanden habe und auch kein Englisch konnte. Der kalte Winter behagt mir auch nicht.

Standard: Haben Sie oft Heimweh?

Nascimento: Nein. Ich fliege einmal im Jahr, im Juni, nach Brasilien. Das reicht mir.

Standard: Können Sie das brasilianische Lebensgefühl beschreiben?

Nascimento: Wir sind glückliche Menschen und versuchen immer, das Positive zu sehen. Wir reden sehr viel und benützen dabei auch unsere Hände.

Standard: In welchen Verhältnissen sind Sie aufgewachsen?

Nascimento: Meine Familie hatte kein Geld. Mein Papa ist gestorben, als ich zwölf und meine Mutter 33 war. Das Leben war nicht einfach in dieser Zeit. Ich musste ihr zuhause helfen. Ich wollte Handball spielen, hatte aber keine Schuhe und kein Geld, um den Bus zu bezahlen. Meine Mutter hat mir immer geholfen. Mit 18 bin ich nach São Paulo gegangen. Dort habe ich drei Jahre lang Handball gespielt, dann bin ich nach Österreich gegangen. Wir haben jetzt eine gute Wohnung, meine beiden Brüder haben einen Job, meine Mutter arbeitet auch noch.

Standard: Wie sind Sie zum Handball gekommen?

Nascimento: Mein Papa war Fußballer und wollte, dass mein älterer Bruder auch Fußball spielt. Er hat alles für ihn gemacht. Auf mich hat er nicht so geschaut, aber ich wollte auch einen Sport ausüben. Ich habe dann vieles ausprobiert: Volleyball, Fußball - das war eine Katastrophe - Schwimmen. Als ich zehn war, hat mich in der Schule ein Trainer zum Handball gebracht. Ich war sofort verliebt in den Sport und wollte nie wieder aufhören.

Standard: Welchen Stellenwert hat Handball in Brasilien?

Nascimento: Der Sport ist sehr bekannt geworden nach der WM 2011 in Brasilien, Olympia 2012 und der WM 2013 in Serbien, wo wir Gold gewonnen haben. Im Gegensatz zu früher wird Handball jetzt gut finanziell unterstützt. In der Beliebtheitsskala kommt Handball in Brasilien nach Fußball, Volleyball und Basketball.

Standard: Sie haben auch Fußball gespielt. Wurde es zu dieser Zeit akzeptiert, wenn Mädchen Fußball gespielt haben?

Nascimento: Damals war das nicht normal. Mädchen mussten zuhause bleiben. Aber mittlerweile ist es total normal geworden, dass Mädchen Fußball spielen.

Standard: Brasilien ist ein fußball-verrücktes Land. Wie steht es mit Ihrer Begeisterung für den Sport?

Nascimento: Ich bin nicht verrückt nach Fußball. Ich kenne kaum Spieler. Aber ich schaue gerne Barcelona. Es fällt mir zwar schwer zu sagen, aber da gibt es einen Argentinier, der ist sehr, sehr gut.

Standard: Also mögen Sie Messi lieber als Neymar?

Nascimento: Neymar ist gut, aber Messi ist unglaublich. Er spielt Fußball mit Gefühl. Wenn er gefoult wird, steht er auf und spielt weiter. Das ist super.

Standard: Darf man das in Brasilien sagen, wenn man einen argentinischen Fußballer wie Lionel Messi mag?

Nascimento: Nein!

Standard: Wie werden Sie die Fußball-WM verfolgen?

Nascimento: Ich werde sicher ein bisschen im Fernsehen zuschauen. Ich bin zwar schon im Juni und Juli daheim in Brasilien, werde aber vor allem Urlaub am Strand machen. Ins Stadion gehe ich sicher nicht.

Standard: Haben Sie das Gefühl, dass Brasilien bereit ist für Events wie die WM und Olympia 2016?

Nascimento: Ich glaube nicht. Es gab jetzt schon Probleme. Es gibt so viele arme Leute. Es fehlen gute Krankenhäuser und gute Schulen. Die Leute sagen: 'Wir lieben Fußball, aber wir brauchen andere Sachen.' Das Geld, das für die WM ausgegeben wird, wäre in anderen Bereichen besser aufgehoben. Aber ich denke, sobald die WM beginnt, werden die Menschen begeistert sein.

Standard: Und Rio 2016 ist Ihr großes Ziel?

Nascimento: Ja. Ich werde in den zwei Jahren bis dahin alles machen, um 100 Prozent fit zu sein und ein gutes Turnier spielen zu können. Ich hoffe, das wir eine Medaille gewinnen. Das werden wahrscheinlich meine letzten Spiele für das Nationalteam werden. Nach den Olympischen Spielen, versuche ich schwanger zu werden. Wenn das nicht klappt, will ich weiterspielen, aber nicht mehr auf höchstem Level. Ich bin dann ja schon 35.

Standard: Wer verliert das WM-Finale?

Nascimento: Ich hoffe, Brasilien gewinnt. Spanien, Frankreich und Italien haben auch gute Teams. Ich weiß nicht, wer das Finale verliert. Sollten Brasilien und Argentinien im Finale stehen, dann gewinnen sicher wir. Wir müssen nur Messi wegnehmen. (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 31.5.2014)