Wien – Um vier Uhr früh „krachten die Rammen gegen die Türen“, schrieb die Bild-Zeitung martialisch. Berichtet wurde über einen bundesweiten Großeinsatz des deutschen Zolls gegen Hintermänner der „Schwarzarbeiter-Mafia“ Ende April. Beschlagnahmt wurden dicke Autos, Waffen, jede Menge Geld – und Schwarzarbeiter, die, zum Teil mit falschen Papieren, für einen Hungerlohn gearbeitet hatten. Vier Hintermänner wurden festgenommen.

Die Aktion war ein Erfolg für die deutschen Behörden – und eine der eher seltenen Gelegenheiten, um an die Hintermänner ausgebeuteter Arbeiter zu kommen. Während eine Studie des Linzer Wirtschaftswissenschafters Friedrich Schneider davon spricht, dass die „Schattenwirtschaft“ in Europa im Vergleich geschrumpft und Österreich gar ein „Vorzeigeland“ sei, sind die praktischen Erfahrungen partiell anders.

Besonders im Osten des Landes, an der Grenze zu Ungarn, häufen sich Beschwerden über „Bauunternehmer“ aus Ungarn, die im Falle von Baumängeln kaum fassbar, weil längst verschwunden sind. Eine eigene Am Schauplatz-Sendung des ORF widmete sich kürzlich diesem Thema.

Josef Muchitsch, SPÖ-Nationalratsabgeordneter und stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz, spricht von „modernem Sklavenhandel“: „Wir wissen, dass leerstehende Bauernhöfe in Ungarn nahe der Grenze zum Burgenland in Arbeiterquartiere umgebaut werden. Dort schlafen Rumänien und Bulgaren und pendeln täglich zur Arbeit nach Österreich.“

In Österreich werden die Männer zwar nach Kollektivvertrag bezahlt, aber Abgaben müssen sie (theoretisch) in Ungarn zahlen – wenn sie nicht mehr als 182 Tage im Jahr in Österreich tätig sind. Muchitsch: „Das ist ein prima Schlupfloch, so wie der Gewerbeschein.“ Laut EU-Niederlassungsrecht kann jeder mit entsprechender Berechtigung (ausgestellt im Heimatland) ein Gewerbe anmelden. Vorausgesetzt: Er oder sie betreibt auch tatsächlich ein eigenes Unternehmen. Oft werden jedoch auf diese Weise Beschäftigungsverhältnisse umgangen und Abgaben hinterzogen.

„Im Burgenland haben diese Konstruktionen schon fast dem traditionellen Pfusch den Rang abgelaufen“, sagt Manfred Katzenschlager von der Bundesinnung Bau der Wirtschaftskammer. Und Hans Trenner, zuständiger Bereichsleiter in der Arbeiterkammer (AK), berichtet von einem „Problem, das so virulent ist, dass wir mittlerweile ungarischsprachige Mitarbeiter eingestellt haben, damit wir mit den Leuten reden können“.

In Österreich kontrolliert nicht nur die Finanzpolizei, sondern auch die „Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse“, eine Institution der Bauwirtschaft, auf den Baustellen. Allein im Vorjahr wurden 2141 österreichische Firmen kontrolliert – davon gab es 65 Beanstandungen wegen nicht ausbezahlten Mindestlohns. Zudem wurden 2300 ausländische Firmen kontrolliert – da gab es 412 Beanstandungen aus diesem Grund.

Darüber, was gegen diesen Missstand zu tun ist, herrscht weitgehend Einigkeit: schärfere Kontrollen, höhere Strafen. Für Katzenschlager ist auch die öffentliche Hand in der Pflicht, die „immer nur Billigstbieter zum Zug kommen lässt“. Dies müsse zuallererst geändert werden. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 31.5.2014)