Sowohl bei Gehirnmetastasen als Folge von Karzinomen als auch bei primären Gehirntumoren (Glioblastome) könnte eine Immuntherapie wirksam sein. Das haben Wiener Onkologen in zwei Studien herausgefunden, die sie beim Jahreskongress der amerikanischen Onkologengesellschaft (ASCO) in Chicago (bis 3. Juni) präsentierten.

Blut-Hirn-Schranke überwinden

In einer Studie untersuchten Matthias Preusser und sein Team von der MedUni Wien und des AKH den Zusammenhang zwischen dem Einwandern von Tumor-infiltrierenden Lymphozyten in das Gehirn bei Patienten mit Gehirnmetastasen im Rahmen von Lungenkrebs-, Melanom-, Nieren- und Brustkrebserkrankungen. "Man hat bisher angenommen, dass das Gehirn ein immunologisch 'privilegiertes' Organ ist, dass das Immunsystem dort anders als sonst im Körper arbeitet", sagt Preusser.

An sich sollte die Blut-Hirn-Schranke zum Beispiel das Einwandern von aggressiven Immunzellen verhindern. Tatsächlich finden sich im gesunden Gehirn so gut wie keine Lymphozyten. Die Wissenschafter untersuchten 118 Gewebeproben von Gehirnmetastasen von Patienten mit fortgeschrittener Karzinomerkrankung.

Größere Immunantwort

Dabei zeigte sich, dass vor allem in den Gewebeproben von Lungenkrebs-, Melanom- und Nierenkrebspatienten eine höhere Dichte dieser Abwehrzellen vorhanden war. In Magnetresonanzuntersuchungen korrelierte dieser Befund mit vermehren Anzeichen einer Abwehrreaktion im Gehirn (Ödembildung).

Schließlich konnten die Onkologen zeigen, dass eine größere Immunantwort mit einer besseren Prognose für die Patienten einhergeht. In manchen Fällen verdoppelte sich sogar die Überlebensdauer. Für Preusser und die Co-Autoren sind die Resultate ein deutlicher Hinweis auf eine wahrscheinliche Wirksamkeit von Immuntherapien bei Gehirnmetastasen.

Mit den monoklonalen Antikörpern Ipilimumab und Nivolumab sowie mit weiteren in Entwicklung stehenden Immun-Checkpoint-Inhibitoren sind bereits solche Arzneimittel vorhanden." Sie blockieren die Abwehr-schwächenden Mechanismen, welche diese Karzinome nutzen, um der körpereigenen Immunantwort zu entgehen.

Anwendungsgebiete ausdehnen

Eine ähnliche Arbeit stellte die Wiener Onkologin Anna Sophie Berghoff beim ASCO-Kongress, der jährlich international wichtigsten Konferenz der Krebsspezialisten mit rund 25.000 Teilnehmern, vor. Gemeinsam mit Wissenschaftern der Universitätsklinik in Heidelberg untersuchten sie Glioblastom-Gewebeproben von 117 Patienten auf die Expression von bestimmten Oberflächenmolekülen (PD1 und PD-L1). Sie wurden bei der Mehrheit der Patienten entdeckt.

Auch das spricht, so Anna Sophie Berghoff, für die wahrscheinliche Wirksamkeit von Arzneimitteln wie Ipilimumab. Letzteres ist derzeit für die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Melanom-Erkrankung zugelassen.

Mit den Erkenntnissen der Wiener Wissenschafter könnte das Anwendungsgebiet solcher Arzneimittel ausgedehnt werden. Eine solche Entwicklung spielt sich derzeit im Rahmen der personalisierten Krebstherapie ("targeted therapy") auf vielen Ebenen ab, weil sich immer mehr herausstellt, dass organspezifisch an sich ganz unterschiedliche Tumoren die gleichen potenziellen Zielstrukturen für Medikamente aufweisen. (APA, derStandard.at, 2.6.2014)