Wien - Knapp zwei Wochen nach der EU-Parlamentswahl reißen die Spekulationen rund um den Posten des Kommissionspräsidenten nicht ab. Die neueste Wendung: Der künftige Präsident der EU-Kommission wird angeblich nicht Jean-Claude Juncker heißen. Das will die APA am Dienstagabend aus gut informierten Kreisen in Brüssel erfahren haben. Es gehe nun darum, einen Kandidaten zu finden, der durch sein Programm überzeuge, und dafür sei die Zusammenarbeit von Kommission, Rat und Parlament notwendig.

Vor allem eine Person habe sich vehement gegen die Nominierung des früheren luxemburgischen Regierungschefs ausgesprochen, erklärte die mit den Vorgängen vertraute Person und ließ wenig Zweifel, dass es sich dabei um EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy handelt, ohne diesen namentlich zu nennen.

Merkel angeblich für Lagarde

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat nach Angaben französischer Insider IWF-Chefin Christine Lagarde als neue Kommissionspräsidentin ins Gespräch gebracht. Merkel habe den französischen Präsidenten François Hollande in einer privaten Unterredung gefragt, ob er Lagarde als Kandidatin unterstützen würde, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Hollande habe keine abschließende Meinung geäußert, hieß es von den Insidern. Der Sozialist habe aber gesagt, es wäre keine gute Idee, wenn der Internationale Währungsfonds nicht mehr von einem Europäer geleitet würde. Die deutsche Regierung wies das Gerücht umgehend zurück: "Die Meldung ist falsch", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstagabend. "Es gilt, was die Bundeskanzlerin gestern öffentlich gesagt hat."

Der IWF wird traditionell von einem Europäer geführt, an der Spitze der Schwesterorganisation Weltbank steht ein US-Bürger. Allerdings streben die Schwellenländer nach mehr Einfluss und erheben Anspruch auf den Spitzenposten des IWF.

Lagarde gehört der konservativen Oppositionspartei UMP an und war unter dem früheren konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy Finanzministerin.

Der sozialdemokratische Europa-Spitzenkandidat Martin Schulz forderte indes die Gegner Junckers zum Einlenken auf. "Das ist nicht die Zeit für Parteipolitik. Der Wahlkampf ist beendet", sagte Schulz "Spiegel Online". "Jetzt ist die Stunde, das zu tun, was notwendig ist, damit wir auf unserem Kontinent Frieden und Wohlstand bewahren und neue Stärke gewinnen."

Gezerre

Nach der EU-Wahl hatten sich die Abgeordneten des EU-Parlaments dafür ausgesprochen, dass Juncker als Kandidat der stärksten Fraktion, der Europäischen Volkspartei (EVP), sich um eine Mehrheit als Kommissionspräsident bemühen soll.

Der EU-Gipfel vergangene Woche hatte jegliche Festlegung vermieden. Großbritanniens Premier David Cameron, Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und anfänglich auch Merkel hatten sich gegen Juncker gestemmt. Merkel änderte ihre Meinung wenige Tage später und sprach sich für ihren Fraktionskollegen aus. (APA, Reuters, 4.6.2014)