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Datensicherheit und der Umgang mit persönlichen Daten sei derzeit das wichtigste Thema der Technikfolgenabschätzung, sagen Experten.

Foto: Corbis/Gregor Schuster

Michael Nentwich, seit 2006 Direktor des ITA, und Renate Mayntz, Soziologin und Technikforscherin.

Fotos: Wilke & MPG

Wien - Ernest Braun gilt als weitsichtiger Mann. Der mittlerweile 89-jährige britisch-tschechische Wissenschafter mit österreichischen Wurzeln hat früh erkannt, dass neue Technologien so viel Einfluss auf die Gesellschaft haben können, dass es neben ihrer Entwicklung eine sozialwissenschaftliche Begleitforschung braucht. In den frühen 1970er-Jahren gründete er daher als Physikprofessor an der Aston University in Birmingham eine Forschungsgruppe für Technologiepolitik (Technology Policy Unit).

Anfang der 1980er-Jahre war Braun Gastprofessor an der TU Wien. Und wieder packte ihn die Gründungslust. Er initiierte nach britischem Vorbild eine Arbeitsgruppe für Technikbewertung am Institut für sozioökonomische Entwicklungsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Ab 1988 wurde daraus eine Forschungsstelle für Technikbewertung, die für sechs Jahre finanziert wurde. Schließlich entschloss man sich, daraus ein Institut zu machen: das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA), das nun seinen zwanzigsten Geburtstag feiert.

Kaum Öffentlichkeit

Damals sei man in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden, sagt Michael Nentwich, seit 2006 Direktor des Instituts. Die Themen waren aber auch nicht so brisant wie heute: der Vorgänger des Internet, BTX, oder das Fax. Gegenwärtig beschäftigen sich die Wissenschafter am Institut mit Datensicherheit oder intelligenten Stromnetzen. Die Forschungsthemen sind ins Zentrum der medialen Berichterstattung gerückt. Und da diese über Online-Nachrichtendienste und soziale Netzwerke so leicht zugänglich ist wie noch nie, kann sich die Öffentlichkeit jederzeit eine Meinung bilden und mehr Aufklärung als in früheren Jahren fordern. Nentwich ist sich dieser Wandlung bewusst, weshalb das Institut seit einiger Zeit schon Partizipation anbietet: Bürger können in Projekten ihre Fragen und Ängste im Zusammenhang mit technischen Entwicklungen zur Sprache bringen. Die Methode habe sich bewährt.

Das Institut wird künftig mehr als bisher Politikberatung bei der Umsetzung von Technologien machen. Es gebe vonseiten der öffentlichen Hand den Auftrag dazu, sagt Nentwich und verweist auf das Credo von Akademie-Präsident Anton Zeilinger, das besagt, dass Wissenschafter gesellschaftliche Trends kommentieren sollten. Aktuell werde eine Studie über mögliche Beratungsleistungen in Sachen Technologiepolitik für das Parlament vorbereitet. Man spürt eine Art Aufbruchstimmung in Nentwichs Worten. Noch vor drei Jahren war er sich nicht einmal sicher, ob und in welcher Form das Institut bestehen könnte. Eine Ausgliederung oder gar Schließung war laut hartnäckigen Gerüchten nicht ausgeschlossen.

Der Austritt von Gründungsdirektor und Ökonom Gunther Tichy aus der Akademie tat das Übrige zu den unsicheren Zeiten bei, die laut Nentwich nun Vergangenheit seien. Auch mit der budgetären Ausstattung von 1,5 Millionen jährlich zeigt er sich prinzipiell zufrieden: "Wenn es mehr wäre, könnten wir weitere wichtige Themen behandeln", sagt Nentwich. Zwei Drittel werden von der öffentlichen Hand über das Wissenschaftsministerium, ein Drittel über eingeworbene Drittmittel finanziert. Gemeint sind damit Projekte wie das vom Infrastrukturministerium unterstützte "Nanotrust", eine Analyse des Wissensstandes über eventuelle Umwelt- und Gesundheitsrisiken von Nanotechnologie. Nentwich sieht darin den Versuch, alte österreichische Fehler im Umgang mit neuen Technologien, wie etwa die pauschale Ablehnung von Gentechnik, zu vermeiden.

Sorglose User

"Datensicherheit ist das derzeit brennendste Thema in der Technikfolgenabschätzung", sagt die deutsche Soziologin Renate Mayntz, die zum Jubiläum am Montag einen Vortrag hielt. Die Gründerin des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung sieht einen großen Teil der Verantwortung bei den Usern. Jüngere Nutzer von sozialen Netzwerken wie Facebook seien zu sorglos. Nentwich sieht ebenfalls in Big Data ein großes Thema, glaubt aber, dass es sich nicht auf Daten beschränken wird, die über am Computer oder am Handy abgespeichert werden. Die Tatsache, dass sich bald in fast jedem Gegenstand ein kleiner Computer verbergen wird, das allgegenwärtige Computing, "wird uns weltweit noch stark beschäftigen". (Peter Illetschko, DER STANDARD, 4.6.2014)