Immer noch werden 99 Prozent der Energie Maltas aus fossilen Energieträgern erzeugt.

Foto: Putschögl

Valletta - Der malerische Fischerhafen von Marsaxlokk könnte schon bald ein wenig von seiner farbenfrohen Unbekümmertheit verlieren. Ein Stück weit draußen im Meer vor dem südöstlichsten Zipfel Maltas sollen nämlich demnächst riesige Tankschiffe mit Flüssigerdgas ständig vor Anker liegen, um die maltesischen Inseln mit Energie zu versorgen.

Der Deal mit einem Konsortium, dem unter anderem der staatliche aserbaidschanische Ölkonzern Socar sowie der deutsche Multi Siemens angehören, ist (inklusive des Baus neuer Gaskraftwerke) 370 Millionen Euro schwer und wurde im Oktober 2013 besiegelt. Kritiker wie der Grünenpolitiker Michael Briguglio hätten es freilich viel lieber gesehen, die neue Regierung hätte in Erneuerbare investiert. Seit vergangenem Jahr sind die Sozialisten am Ruder, nach Ansicht Briguglios hauptsächlich wegen des Versprechens niedrigerer Strompreise.

Fehlende Transparenz

Die Entscheidung für den Umstieg von Öl auf Flüssigerdgas verlief dann aber wenig transparent, kritisiert Briguglio, zivilgesellschaftlich höchst engagierter Soziologe an der University of Malta. Diskutiert worden sei lediglich über die Farbe der Tankschiffe - zweifellos nicht unwichtig auf Malta, wo der Tourismus ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet.

"Meiner Meinung nach ist das Wichtigere aber, dass wir für 18 Jahre voll abhängig werden" - auf diesen Zeitraum ist der Deal angelegt. "Was danach sein wird, weiß niemand", sagt Briguglio zum Standard.

Derzeit gewinnt das winzige südeuropäische Land, das flächenmäßig kleiner als Wien ist, noch unfassbare 99 Prozent seiner Energie aus Öl. Die Malteser brauchen es, um Strom zu erzeugen, und sie brauchen es, um fast die Hälfte ihres Trinkwassers herzustellen: Durch Umkehrosmose werden 40 Prozent des Trinkwassers aus dem Meer gewonnen, der etwas größere Rest aus Brunnen.

Bis 2020 zehn Prozent aus Erneuerbaren

Noch. "Die Qualität des Grundwassers wird immer schlechter, weil Meerwasser immer stärker eindringt", verweist Briguglio auf Erkenntnisse maltesischer Hydrologen, die sagen, dass das Land in spätestens 15 Jahren komplett auf Umkehrosmose werde umsteigen müssen. "Das wird nicht nur sehr teuer, sondern auch sehr gefährlich sein." Laufe nämlich einer der Tanker einmal auf Grund, könne kein Trinkwasser mehr produziert werden. "Und wir haben nur Wasser für drei Tage auf Lager."

Über Offshore-Windparks vor Maltas Küste sei lange diskutiert worden, diese hätten sich letztlich aber als undurchführbar erwiesen - aus Naturschutzgründen. Doch auch mit Solarenergie könnte Malta das ohnehin wenig ambitionierte Ziel, bis 2020 zehn Prozent der Energie aus Erneuerbaren zu lukrieren, schaffen. Das chinesische Unternehmen Shanghai Electric Power ist vor wenigen Wochen beim staatlichen Energiekonzern Enemalta eingestiegen und will nun von Malta aus europaweit in Solarenergie investieren. Briguglio ist diesbezüglich aber wenig optimistisch: "Es gibt keine Fortschritte."

Penthäuser statt Solarzellen

Dabei hat auf Malta fast jedes Gebäude eine Dachterrasse, sagt der engagierte junge Wissenschafter. "Allein die Dächer der vielen Appartmenthäuser könnten leicht für erneuerbare Energie genützt werden." Die Bauwirtschaft hat für seinen Geschmack aber entschieden zu viel Einfluss auf die Politik des Landes. "Sie hoffen, auf den Dächern Penthäuser errichten zu können."

Neid überkommt ihn, wenn er etwa davon hört, dass die kleine Kanareninsel El Hierro schon bald energieautark sein wird. Ab 2020 will man dort gänzlich ohne fossile Brennstoffe auskommen; die Tankschiffe mit Heizöl, wie sie auch Briguglio in Malta kennt, gehören auf El Hierro bald der Vergangenheit an. Doch Malta, wo es 430.000 Menschen und 300.000 Autos gibt, wird dafür seiner Ansicht nach noch sehr viel mehr Zeit brauchen.

Immerhin bekommt das Land noch heuer, wenn alles gutgeht, Anschluss ans europäische Stromnetz: Seit Dezember verlegt das norwegische Schiff Nexans Skagerrak den "Interconnector", ein 125 Kilometer langes Kabel zwischen Malta und Sizilien. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 5.6.2014)