Die Polizei hat in der bürgerlichen Demokratie eine besondere Rolle, kommt ihr doch in Bezug auf die innere Sicherheit das Gewaltmonopol zu. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich grundsätzlich den Befehlen und dem gegen sie angewandten Zwang durch die Polizei beugen und gleichzeitig darauf verzichten, im Wege von Selbstjustiz selbst Gewalt anzuwenden.

Das stellt einen der zentralen Grundsätze jeder sich als Rechtsstaat definierenden Gemeinschaft dar. Gleichzeitig dürfen die Handlungen der Polizei, wie alle staatlichen Handlungen, nur auf Grundlage und im Rahmen der Gesetze ausgeübt werden.

Kontrolle der Polizei

Jedoch handelt es sich bei der  Aufgabenerfüllung der Polizei immer um unmittelbare und eingriffsintensive Handlungen, denen Grundrechtseinschränkungen immanent sind. Daher benötigen diese Handlungen auch einen strengen Kontrollmaßstab.

Nun ist es jedoch im gewöhnlichen verwaltungsbehördlichen Handeln immer so, dass das Gegenüber, als Behörde, klar bezeichnet und daher auch im Rechtsweg belangbar ist. Genau das ist aber in einem der grundrechtintensivsten Momenten nicht gegeben, nämlich dann, wenn geschlossene Einheiten von Polizistinnen und Polizisten gegenüber Demonstrationen Amtshandlungen setzen.

Prinzip des demokratischen Rechtsstaates

Da sind diese nämlich, anders als im normalen Streifendienst, in Protektoren gehüllt, mit Schildern und Helmen ausgestattet und, besonders diejenigen Einheiten die Zugriffe ausführen, zusätzlich teilweise mit Sturmhauben vermummt. Nicht einmal die Kommandantinnen und Kommandanten können dann genau sagen, welche Polizistinnen und Polizisten wie eingeschritten sind. Das bedeutet einen Einschnitt in ein zentrales Prinzip des demokratischen Rechtsstaates, nämlich die Kontrollierbarkeit staatlicher Machtausübung.

Diesem rechtsstaatlichen Defizit wird in der derzeitigen Gesetzeslage mit der Pflicht zur Herausgabe der Dienstnummer entgegengetreten. Jedoch stellt es sich faktisch oft als schwierig heraus, diese zu erlangen.

Mauer des Schweigens

Erstens muss diese nur der von der Amtshandlung betroffenen Person gegeben werden und nicht etwa auch den Vorfall beobachtenden Zeuginnen und Zeugen, zweitens kann von den einzelnen Polizistinnen und Polizisten auf deren Kommandantin verwiesen werden, diese sind aber dann immer wieder "nicht da", "kommen gleich" oder man trifft auf eine Mauer des Schweigens, da offenbar bereits die Frage nach der Dienstnummer als Affront aufgefasst wird.

Dies wirft nun alle mögliche Probleme in weiteren Verfahren auf, egal ob es sich um eine Maßnahmenbeschwerde, ein mögliches Disziplinarverfahren oder ein Strafverfahren gegen überschießende Polizeigewalt handelt. Denn gleichzeitig mit dem ablehnenden Verhalten gegenüber der Dienstnummernherausgabe wird von einem Korpsgeist berichtet, der die schwarzen Schafe deckt, die ihre Professionalität auf Demo-Einsätzen hinter sich lassen und denen dennoch keine Kolleginnen und Kollegen in den Rücken fallen wollen.

Anonymität der Polizei

Hier könnte eine Kennzeichnungspflicht der Polizei Abhilfe schaffen. Die Berliner Polizei, die nicht gerade für ihre Zimperlichkeit bekannt ist, stellt dabei ein mögliches Beispiel dar. So könnten, ohne die Anonymität der Polizistinnen und Polizisten zu gefährden, rotierende Rückennummern vergeben werden, die nur im Falle eines Verfahrens zu den jeweiligen Personen zugeordnet werden würden.

Anders als den Vorschlag alle Polizistinnen und Polizisten mit Videokameras auszustatten, stellt das sowohl den sparsameren als auch den, die Grundrechte nicht tangierenden Vorschlag dar. Die Staatsgewalt muss es nicht nur aushalten  kontrolliert zu werden, wenn sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen will, etwas zu verbergen zu haben, es ist sogar eine Voraussetzung für die Garantie eines Rechtsstaats. (Philipp Hense, Leserkommentar, derStandard.at, 4.6.2014)