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Günter Bresniks Schützling Ernests Gulbis schlägt im Halbfinale der French Open gegen Novak Djokovic auf.

Foto: Reuters

Paris/Wien - Es war damals in Oberschleißheim bei München, in Niki Pilics Tennisakademie, nicht unbedingt vorauszusehen, dass sich Ernests Gulbis und Novak Djokovic einst im Halbfinale der French Open begegnen würden. Einstellungsmäßig trennten den nach Ernest Hemingway benannten lettischen Millionärssohn und den von einem typischen Tennisvater auf Erfolg getrimmten Serben nämlich Welten.

Er sei ein verspielter, verwöhnter Fratz mit Talent gewesen, gab der mittlerweile 25-jährige Gulbis vor dem sechsten Duell mit dem einstigen Kollegen am Freitag zum Besten. Djokovic habe dagegen nur Tennis im Kopf gehabt: "Während ich nach dem Training immer Playstation gespielt habe, hat Novak im Fitnessstudio und in der Kraftkammer gearbeitet."

Djokovic, an die gemeinsame Zeit mit dem um etwas mehr als ein Jahr jüngeren Balten erinnert, formulierte es diplomatisch: "Man konnte sehen, dass er das Leben mit offenen Armen genießen wollte, um es politisch korrekt zu sagen." Die beiden verstehen einander nicht mehr besonders. "Novak war ein normaler Junge, aber nach seinem ersten großen Erfolg hat sich sein Blick verändert", sagt Gulbis, der einige Jahre gebraucht hat, "um das Kind im Mann auszutreiben. Ich weiß jetzt, was ich will und worum es im Tennis geht." Wesentlich mitgeholfen hat Trainer Günter Bresnik, mit dem Gulbis seit April 2012 zusammenarbeitet. Die Erfahrung und Überzeugungskraft des 53-jährigen Wieners sowie die Qualitäten des 20-jährigen Niederösterreichers Dominic Thiem als Sparringpartner haben aus dem "klassischen Top-Ten-Spieler" (Bresnik) zunächst einmal einen Grand-Slam-Halbfinalisten gemacht.

Keine Umfaller mehr

Gulbis arbeitet härter und disziplinierter. Und er wandelte sich zu einem der konstantesten Spieler auf der Tour. Umfaller wie etwa im vergangenen Jahr in der ersten Runde der US-Open in fünf Sätzen gegen Andreas Haider-Maurer kommen nicht mehr vor. Der Lohn ist seine bisher beste Platzierung in der Weltrangliste. Nach Paris wird es von Rang 17 aus weiter aufwärtsgehen.

Dass er diese Sphären erreichen kann, deutete der Sohn einer Schauspielerin, den Bresnik als überaus intelligent und belesen schildert, schon bald nach seinem Einstieg ins Profigeschäft an. 2008, interessanterweise gecoacht von Karl-Heinz Wetter, dem vormaligen Trainer von Jürgen Melzer, schmückte er in Paris erstmals das Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers und unterlag Djokovic in drei relativ knappen Sätzen. Der Trennung von Wetter folgte eine Orgie an Erstrundenpleiten, aber auch da und dort ein Aufblitzen, wie 2010 in Delray Beach der erste von bislang sechs Turniersiegen.

Die jüngsten beiden feierte Gulbis in dieser Saison - erst auf Hartplatz in Marseille und dann auf Sand in Nizza. Nach dem Triumph gegen Roger Federer, den er schon vor vier Jahren - damals echt sensationell - beim Masters in Rom eliminiert hatte, war der klare Sieg im Viertelfinale gegen den Tschechen Tomas Berdych keine Überraschung mehr. Und Djokovic denkt nach eigenem Bekunden noch keine Sekunde an sein zweites Finale in Roland Garros nach 2012, obwohl er von den bisher fünf Duellen mit Gulbis vier gewonnen hat. (sid, lü, DER STANDARD, 5.6.2014)