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Apple-Boss Tim Cook erlaubte sich bei der Vorstellung von iOS 8 so manchen Seitenhieb auf Android. Dass man sich selbst massiv am Ideenpol der Konkurrenz bedient, verschwieg er dabei geflissentlich.

Foto: Jeff Chiu / AP

Es ist eine Inszenierung, die Apple liebt: Jene als das Unternehmen, von dem alle anderen abkupfern, der Innovationsführer, der den Markt vor sich hertreibt. Legendär etwa die Präsentation von Mac OS X 10.4 Tiger, das unter dem Slogan “Redmond, start your photocopiers” vorgestellt wurde - ein Seitenhieb auf die Konkurrenz aus dem Hause Microsoft.

Android

Weniger humorvoll sollte Apple in den Folgejahren auf die wachsende Bedrohung durch Android reagieren. Apple-Boss Steve Jobs sah in Googles mobilem Betriebssystem eine unverschämte Kopie eigener Konzepte, und trat eine Klagewelle gegen diverse Androidhersteller los, die bis heute nachwirkt. So befinden sich vor allem Samsung und Apple weiterhin in einer intensiven Auseinandersetzung um einzelne Patente und deren angebliche Verletzung durch die Südkoreaner.

iOS 8

Dabei ist die Frage, wer mehr von wem "kopiert", längst nicht mehr so eindeutig zu beantworten. So dürfte jenen ZuseherInnen der Präsentation von iOS 8, die auch aktuellen Androidversionen kennen, so manches neue Feature ziemlich bekannt vorgekommen sein. In einem aktuellen Artikel hat Arstechnica eine lange Liste an von Android “entlehnten” Funktionen zusammengestellt.

Tastatur

Dies beginnt damit, dass iOS künftig rät, welches Wort die Nutzerin als nächstes tippen wird - und entsprechende Vorschläge macht. Eine Funktion, die es unter Android von Anfang an gibt. Ebenfalls von der iPhone-Konkurrenz lange bekannt ist die Möglichkeit, alternative Tastaturen zu verwenden, wodurch sich in diesem Bereich zahlreiche interessante, neue Konzepte entwickelt haben, von denen nun auch iOS profitieren wird.

Intents

Eine weitere Neuerung von iOS 8 ist die Interprozesskommunikation, also die Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen zwei Apps - etwa wenn ein Bild direkt an einen Fotoeditor der Wahl geschickt wird. Bei Android zählt das Intent-System seit Anfang an zu den Kernelementen des Betriebssystems. Die iOS-Lösung scheint dabei allerdings nicht ganz so weit zu gehen, wie jene von Google, soll es doch nach bisherigen Informationen nicht möglich sein, die Default-App-Auswahl zu ändern.

Sprachsteuerung

Mit iOS 8 erweitert Apple die Möglichkeiten zur Sprachsteuerung: Über die Phrase "Hey Siri" kann künftig eine Konversation mit dem Sprachassistenten gestartet werden, ohne das Gerät berühren zu müssen. Bei Google nennt sich das Pendant "Ok Google".

Zumindest mit der aktuellen Hardware unterliegt die Apple-Lösung jedoch einer entscheidenden Einschränkung: Das iPhone muss am Strom hängen, damit "Hey Siri" funktioniert. Damit soll verhindert werden, dass der Akku all zu schnell leer läuft, weil das Smartphone dauernd auf Eingaben wartet. Aktuelle Android-Smartphones haben spezielle Hardwareunterstützung, um dieses Problem auszuräumen.

Musik

Ebenfalls neu in iOS 8 ist die Erkennung von Musik in der Sprachsuche - etwas das Googles Andoid schon länger beherrscht. Hier zeigt sich auch ein entscheidender Unterschied zwischen Apple und Google: Während Google für die Sprachfunktionen vollständig auf eigene Entwicklungen zurückgreifen kann, setzt Apple bei Siri auf externe Partnerschaften - von der Sprachausgabe bis zu den Suchergebnissen ist alles zugekauft. Dies gilt auch für die Musikerkennung, die von Shazam geliefert wird.

Benachrichtigungen

Seit Android 4.1 ist es möglich auf Benachrichtigungen direkt zu reagieren, ohne zur eigentlichen App wechseln zu müssen. Ähnliches geht nun auch mit iOS 8, auch wenn die Apple-Lösung hier sogar noch einen Schritt weiter geht und gleich das Formulieren von Textstellen im Benachrichtigungsbereich erlaubt.

Vermischtes

Einige weitere durch Android inspirierte Neuerungen von iOS 8 im Schnelldurchlauf: Der App Store erlaubt nun Betaversionen an ausgewählte NutzerInnen auszuliefern und bietet die Möglichkeit Promovideos beim jeweiligen App-Eintrag einzubinden. Widgets sind ein altbekanntes Android-Feature und sollen mit iOS 8 jetzt - wenn auch im eingeschränkten Rahmen - auch bei Apple Einzug halten. Das automatische Backup aller Fotos und der Abgleich auf sämtlichen Geräten ist über Google - und zahlreiche Apps von Drittherstellern wie Dropbox - ebenfalls schon länger möglich. Die Akkuverbrauchsstatistiken von iOS 8 sind unter Android schon seit einigen Versionen verfügbar.

Entwicklung

Auch so manches Feature für EntwicklerInnen hat recht augenscheinlich von der Konkurrenz "gelernt": So bietet Apple mit CloudKit ein API, über das Apps den Abgleich zahlreicher Daten über die iCloud vornehmen können. Google erlaubt diese bereits eine zeitlang - und zwar über verschiedene Betriebssysteme hinweg - iOS inkludiert.

Eigene Ideen

All dies bedeutet freilich nicht, dass Apple sich mittlerweile nur mehr auf das Abkupfern beschränken würde. Manche der iOS-8-Funktionen sind tatsächlich neu oder zumindest konsequenter implementiert als es bisher bei der Konkurrenz der Fall ist, wie etwa das Continuity-Konzept, das den nahtlosen Wechsel zwischen verschiedenen Endgeräten erlaubt.  Zudem dürfte es dem Gros der iPhone- und iPad-NutzerInnen herzlich egal sein, ob es einzelne Funktionen schon früher woanders gab - hauptsache sie bekommen sie überhaupt.

Balance

Im Endeffekt gelte es daraus eigentlich nur zu lernen, dass es nur eine sehr beschränkte Anzahl von Möglichkeiten gibt, Smartphonekonzepte umzusetzen, streicht denn auch Vox.com in einem Kommentar heraus. Zudem erlaube gerade das Kopieren von Funktionen eine schnellere Weiterentwicklung, da sich die Unternehmen so gegenseitig vorantreiben würden. Und wie sich nun zeige, ergebe sich langfristig ohnehin eine gewisse Balance: Während Anfangs alle viel vom iPhone gelernt hätten, übernimmt nun Apple zunehmend Konzepte der Konkurrenz.

Sinnlose Patentverfahren

Die zentrale Lehre aus alle dem sei insofern, wie sinnlos all die Patenauseinandersetzung zwischen den Unternehmen seien, so Vox.com. Für Apple sei es mit dem iPhone bereits ein Wert an sich gewesen als erster auf dem Markt zu sein. Jahre später abgeschlossene Patentprozesse hätten hingegen keinerlei Auswirkungen auf die grundlegende Dynamik der gegenseitigen "Inspiration" - und dienen nur dazu die Taschen der Patentanwälte zu füllen. (red, derStandard.at, 5.6.2014)