In London werden derzeit Methoden diskutiert, die Knochenregeneration voranzutreiben.

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Sehr große, verzögert oder nicht heilende Frakturen erfordern spezialisierte Behandlungsformen. Zelltherapie, das Diamant-Konzept oder bioaktive Membrane könnten künftig bisherige Therapiestandards an Schnelligkeit, Effizienz und Verlässlichkeit überflügeln, berichteten jetzt Experten beim europäischen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (EFORT) in London.

Innovative Behandlungen 

"Auch wenn Knochengewebe eine fantastische Regenerationsfähigkeit besitzt: Bei größeren, mehr als fünf Zentimeter langen Knochendefekten ist jede Knochentransplantationstechnik zum Scheitern verurteilt. Umso wichtiger ist es, innovative Behandlungsformen zu finden", sagte Peter Giannoudis von der Universität Leeds am Kongress, an dem 7.000 Experten teilnahmen.

Der Fachmann ging auf die unterschiedlichen Behandlungsstrategien ein. Eine gute Option bei Knochendefekten von bis zu 25 Zentimetern sei die vaskularisierte Knochentransplantation (Transplantation von Knochenmaterial und Sicherstellung der Blutversorgung), so Giannoudis. Dafür werden Wadenbein, Beckenkamm oder Rippen eine Knochenspende entnommen. "Dieser Behandlungsansatz hat allerdings auch seine Grenzen: Er erfordert ganz besondere Kenntnisse und ist wenig geeignet für Patienten mit Begleiterkrankungen oder fortgeschrittenem Alter", so der Experte.

Knochenheilung fördern 

Gute Behandlungsergebnissen liefert nach wie vor die Methode der Distraktionsosteogenese. Dabei wird ein ständiger und kontrollierter Zugreiz auf die Knochenteile ausgeübt und damit die Knochenheilung gefördert. Doch es gibt auch zukunftsweisende Neuentwicklungen: knochenwachstumsfördernde Substanzen ("osteoinduktiv" wirkend) und die Zelltherapie.

Osteoinduktive Substanzen, etwa morphogenetische Proteine, eröffnen neue Wege für die Behandlung verzögerter Knochenheilung. Wie viel Knochenvolumen durch die wachstumsfördernden Eigenschaften der Substanzen tatsächlich lokal produziert werden kann, ist nach wie vor ungeklärt. Auf Grundlage der klinischen Nachweise und persönlichen Erfahrungen kann aber davon ausgegangen werden, dass eine Ampulle morphogenetischer Proteine ausreichen sollte, um die Knochenheilung bei Defekten von bis zu zwei Zentimetern zu unterstützen, so der Experte.

Vor kurzem entwickelte Behandlungsstrategien sind Zelltherapien, bei denen durch Knochenmarkschnitt vom Becken entnommene Stammzellen, konkret Osteoprogenitorzellen (Knochen-Vorläuferzellen), implantiert werden. "Die klinischen Erfahrungen dazu gruppieren sich bisher eher um Frakturen mit verzögerter Heilung, weniger um große Frakturen. Sie könnten aber auch in diesem Bereich nützlich sein", so Giannoudis.

Bio-Membranen

Bioaktive Membranen, die in Defekte eingefügt werden, scheinen ebenfalls eine attraktive neue Möglichkeit zu sein, die Knochenregeneration voranzutreiben, sei es mit oder ohne zusätzliche Knochentransplantation. "Dieses Verfahren ist aber noch im experimentellen Stadium, die klinischen Erfahrungen sind bisher dünn gesät", so der Experte.

Seit kurzem gibt es auch das sogenannte "Diamant-Konzept". Der Name steht für eine Tissue Engineering-Strategie, bei der alle wichtigen Bestandteile der Knochenheilung während des chirurgischen Eingriffs implantiert werden. Dazu gehören ein Wachstumsfaktor, ein Zellträger und Osteoprogenitorzellen.

Gleichzeitig wird besonders auf eine optimale Osteosynthese durch Implantate geachtet, also auf eine Optimierung der mechanischen Umgebung. "Dieser Zugang scheint sehr vielversprechend zu sein, die vorläufigen klinischen Daten weisen auf sehr gute Behandlungsergebnisse hin", so Giannoudis. (APA, derStandard.at, 5.6.2014)