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Großbritannies David Cameron muss noch von Jean-Claude Juncker überzeugt werden.

Foto: epa/hoslet

Brüssel - Im Streit um die Nominierung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten hat es am Donnerstag erstmals Bewegung gegeben. Der frühere luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker stellte der neu konstituierten EVP-Fraktion im EU-Parlament die wichtigsten Punkte seines Arbeitsprogramms für den Fall vor, dass er an die Spitze der EU-Zentralbehörde gewählt werden sollte.

Wie berichtet, müsste er zuerst von den EU-Staats- und Regierungschefs nominiert werden, wogegen sich vor allem der britische Premier David Cameron querlegt. Der Kandidat muss dann aber auch die absolute Mehrheit der 751 EU-Abgeordneten im Parlament bekommen.

Kämpferischer Juncker

Juncker zeigte sich gegenüber seinen christdemokratischen Parteifreunden äußerst kämpferisch, wie Abgeordnete danach bestätigten: "Wir müssen aufpassen, dass wir den Sieg nicht verspielen“, sagte er zum Umstand, dass die EVP-Fraktion als Wahlsieger mit 221 Abgeordneten und 33 Mandaten deutlich vor den Sozialdemokraten liegt.

Juncker will inhaltlich fünf Prioritäten setzen – bei Wachstumspolitik und Beschäftigung, einem europäischen Energiemarkt, beim Ausbau des Handels, unter anderem in einem "fairen Abkommen“ mit den USA (TTIP) und einem Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion, in der "eine soziale Komponente ausgebaut werden“ soll.

Zugehn auf britische Sonderwünsche

Er überraschte die Fraktion auch mit seiner fünften Priorität, mit der er auf die britischen Sonderwünsche, wie Cameron sie ultimativ gefordert hatte, aktiv zugehen möchte. "Kein vernünftiger Politiker könne die Bedenken, die Großbritannien geäußert hat, ignorieren“, erklärte der Luxemburger. Er wolle einen "fairen Deal“ mit Cameron, der eine Rückübertragung von Entscheidungskompetenzen an die nationalen Regierungen gefordert hatte.

Dafür werde er Lösungen vorschlagen, aber nur unter zwei Bedingungen: Die Grundsäulen der EU – die vier Freiheiten im Binnenmarkt – dürften dabei nicht angetastet werden. Dabei geht es vor allem darum, dass Cameron den freien Personenverkehr, den Zuzug von EU-Bürgern, einschränken möchte. Das lehnt der EVP-Kandidat strikt ab.

Cameron ruft nicht zurück

Außerdem will Juncker die Briten dazu bringen zu verstehen, dass die Eurozone mehr Vertiefung brauchen und nicht das Gegenteil. Wann und in welcher Form diese Angebote besprochen werden sollen, ist unklar. Cameron reagierte bisher nicht auf Kontaktversuche, erfuhr der Standard in Brüssel. Auf einen Gesprächswunsch hin, rief er nicht zurück. Denkbar wäre auch, dass die Briten in der Kommission ein sehr starkes Dossier bekommen, etwa den Kommissar für Binnenmarkt.

Juncker erklärte aber, dass er sich "nicht auf die Knie werfen werde“. Er wurde von den EVP-Abgeordneten darin unterstützt, dass man sich von Cameron "nicht erpressen lasse“, wie der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas sagte.

Das Thema EU-Spitzenjobs spielte auch am Rande des G-7-Gipfels mit US-Präsident Barack Obama eine Rolle. Kanzlerin Angela Merkel, Cameron und der französische Präsident Francois Hollande tauschten sich mit Ratspräsident Herman Van Rompuy dazu aus. Dieser bestätigte, dass er seit den Wahlen nicht mit Juncker über die Pläne und das Programm konferiert habe.

Kritik an van Rompuy

An Van Rompuy gibt es deswegen zunehmende Kritik, weil Abgeordnete im Parlament, vor allem die Sozialdemokraten, den Eindruck haben, dass er das Wahlergebnis nicht akzeptiere und sein eigenes Spiel gegen Juncker spielt.

Van Rompuy wird nächste Woche mit den Fraktionschefs Manfred Weber (EVP) und Hannes Swoboda (SPE) zusammentreffen, um erste Gespräche zu führen. Die SPE hat ihren Spitzenkandidaten und Parlamentspräsidenten Martin Schulz als Verhandler nominiert. Dieser wird sein Amt am 18. Juni zurücklegen und soll neuer Fraktionschef werden. Damit verhandelt Schulz mit Van Rompuy auch über seine eigene Zukunft, soll er nach dem Willen der SPD als Vizepräsident von Juncker in die Kommission einziehen. Merkel will das verhindern. (derStandard.at, 5.6.2014)